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Umfangreiche Reformen angekündigt

Tunesiens Präsident Zine el Abidine Ben Ali beugt sich den wochenlangen Protesten in seinem Land. Nach gewaltsamen Unruhen mit Dutzenden Toten wandte sich Ben Ali am Donnerstag in einer Fernsehansprache an die Bevölkerung und stellte eine Reihe von Reformen und größere Freiheiten in Aussicht. In drei Jahren will er sich zurückziehen - nach mehr als einem Vierteljahrhundert an der Macht. In den Straßen der Hauptstadt Tunis kam es nach der Rede zu Jubelszenen.

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Ben Ali sagte, er habe die Sicherheitskräfte angewiesen, den Einsatz von Feuerwaffen gegen Demonstranten zu stoppen. Außerdem sollen die Preise für Zucker, Milch und Brot gesenkt werden. „Ich habe entschieden, dass die Presse vollkommene Freiheit haben soll und Websites nicht länger geschlossen werden“, teilte der Präsident mit.

Keine Verfassungsänderung für längere Amtszeit

Ben Ali kündigte zugleich an, dass seine seit 1987 dauernde Regentschaft mit dem Ende seiner jetzigen Amtszeit im Jahr 2014 ablaufen werde. Er werde nicht die Altersgrenze in der Verfassung ändern, um eine Verlängerung zu ermöglichen. Laut Verfassung darf sich niemand, der älter als 75 Jahre ist, um die Präsidentschaft bewerben. Ben Ali ist bereits 74.

Seine Ansprache fiel sehr emotional aus. Ben Ali wirkte zerknirscht und den Tränen nah. Er sprach erstmals im Dialekt und verzichtete auf Hocharabisch. Ben Ali warf Gefolgsleuten vor, ihn hintergangen zu haben. „Sie haben mich getäuscht“, sagte er. „Ich verstehe die Tunesier, ich verstehe ihre Forderungen“, betonte er. „Ich bin traurig über das, was jetzt passiert nach 50 Jahren im Dienst für das Land.“

„Danke, Ben Ali“

Nach der Ansprache strömten Augenzeugen zufolge Hunderte von Menschen trotz einer Ausgangssperre in Tunis auf die Straßen. Nationalflaggen wurden geschwenkt, Hupkonzerte ertönten. „Es lebe Ben Ali“ und „Danke, Ben Ali“ riefen zahlreiche Menschen. „Wir haben diese Rede nicht erwartet“, sagte ein Mann. „Das Wichtigste ist: Freiheit, Freiheit, Freiheit.“ Mit Najib Chebbi äußerte sich auch ein wichtiger Oppositionspolitiker positiv. „Die neue Politik in der Rede war gut, und wir warten auf die konkreten Details“, sagte er und forderte die Bildung einer Regierungskoalition.

Innenminister gefeuert

Die Demonstranten protestieren seit Wochen gegen die hohe Arbeitslosigkeit, die Korruption und die Unterdrückung im Land. Die Regierung hatte entgegnet, eine kleine Gruppe gewalttätiger Extremisten habe die Proteste für sich vereinnahmt. Am Mittwoch hatte Ben Ali den Innenminister entlassen und die Freilassung festgenommener Demonstranten angeordnet. Doch Regierungskritiker bezeichneten das als nicht ausreichend. Zugleich stieg der internationale Druck. Die frühere Kolonialmacht Frankreich kritisierte erstmals Ben Alis Umgang mit den Protesten. Mehrere Länder, darunter die USA, rieten ihren Landsleuten von Reisen nach Tunesien ab.

Die sozialen Unruhen werden auch in anderen arabischen Ländern aufmerksam verfolgt, wo der Anstieg der Lebensmittelpreise ebenfalls für Unmut sorgt. Tunesien gilt für Investoren als eines der attraktivsten Länder in Nordafrika. Der Tourismus sorgt für elf Prozent der Deviseneinnahmen des Landes.

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