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Schleimspuren in der Traumfabrik

Christoph Waltz ist ein Bösewicht im Film und ein Schlingel im Interview. Hat er doch glatt als „Nestbeschmutzer“ den heimischen Boulevard auf den Plan gerufen. „Nein, wir sind nicht schleimig, Herr Waltz“, schmollte „Heute“ am Titelblatt. Aber das war es gar nicht, was Waltz über die Österreicher sagen wollte.

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Wenn man seine Originalaussage in der der deutschen Tageszeitung „Die Welt“ (Onlineausgabe) liest, wird klar: Die Wiener sind für ihn zwar schon schleimig, aber das ist nicht ihr vordringlicher Wesenszug. Vor allem sind sie falsch - weil sie ihre Schleimigkeit bewusst und strategisch einsetzen. Man sei eben freundlich zueinander, sagte Waltz mit dem für ihn typischen Understatement. Eigentlich war das als Spitze gegen Hollywood gemeint, das er in dieser Hinsicht mit Österreich vergleicht.

„Französische Spinneraugen“

Aber immerhin waren Waltz in Österreich jahrzehntelang die Türen verschlossen geblieben. Nun, nachdem ihm 2010 für seine Verkörperung des Hans Landa in Quentin Tarantinos „Inglourious Basterds“ der Oscar verliehen wurde, hofiert man den Schauspieler - ein typisch österreichisches Schicksal. In diesem Fall von Schleimerei zu sprechen, ist legitim. Aber Waltz kann es egal sein, er hält sich momentan sowieso hauptsächlich in Hollywood auf.

Der erste von drei Filmen, die heuer mit ihm ins Kino kommen, ist „The Green Hornet“. Waltz spielt in der Action-Komödie den Bösewicht Chudnofsky. Was auf den ersten Blick wie ein Abstieg in den Kommerztrash aussieht (Cameron Diaz in einer der tragenden Rollen), erklärt sich durch den Namen des Regisseurs: Michel Gondry. Im Interview mit der „Welt“ sagte Waltz: „Ein Comic, amerikanische Popkultur aus französischen Spinneraugen“ - diese Kombination habe ihn gereizt.

Gondry ist neben seiner Handvoll Spielfilmen vor allem für die Umsetzung legendärer Musivideos bekannt. Björks „Human Behaviour“ (1993) blieb vor allem wegen Gondrys Kuscheltieren im Wald in Erinnerung, unvergessen sind auch Daft Punks „Around the World“ (1997 - da steppt das Skelett), dazu einige Videos für die Chemical Brothers, Beck, die Rolling Stones, Radiohead, die White Stripes (nicht „Seven Nation Army“, aber die phänomenalen, sich duplizierenden Drums von „Hardest Button to Button“) und andere.

Warum es mit Nicolas Cage nicht klappte

Abgesehen davon schrieb „The Green Hornet“ bereits Kulturgeschichte. Zuerst in den 30er Jahren als Radiohörspiel erfolgreich, wurde es später mehrmals verfilmt und als Comic-Reihe verlegt. Es gab auch eine TV-Serie, mit Bruce Lee als Kato. In der Story geht es um einen jungen, verwöhnten Partytiger, der nach dem Mord an seinem Vater mit dem Verbrechen in seiner Stadt aufräumen will. Dabei hilft dem Tollpatsch der geniale Kampfsportler und Techniktüftler Kato. Der Inbegriff des Kriminellen wird von Waltz verkörpert, mit großen Waffen in den Händen und trockenen Sprüchen auf den Lippen.

Eigentlich hätte ja nicht Waltz, sondern Nicolas Cage den Tunichtgut geben sollen. Aber, wie die „New York Times“ schreibt, bestand Cage aus Gründen, „die nur er selbst kennt“ darauf, die Rolle mit jamaikanischem Akzent zu spielen. Regisseur Gondry wird mit den Worten zitiert: „Ich war recht froh, als er sagte, er wollte nicht länger mitmachen.“ Cage wurde kurzerhand durch Waltz ersetzt. Seine Leistung wird von Kritikern gewürdigt. Der Tenor zum Film lautet: lustig und nett, aber nicht annähernd so schräg und einzigartig, wie man es von einer „Green Hornet“-Verfilmung von Gondry erwarten hätte können.

Waltz’ nächste Streiche

Der nächste Film mit Waltz, er kommt voraussichtlich am 15. April in Österreichs Kinos, ist „Wasser für Elefanten“. Die Story folgt einem Buch von Sara Gruen, Regie führte Francis Lawrence - wieder ein Musikvideomacher (von Bad Religion bis Lady Gaga). Waltz spielt in dem Film einen unsympathischen Tierdompteur im Zirkus, der um seine Frau - eine Artistin - kämpfen muss, die ihm mit einem jungen Schönling abzuhauen droht. Setting sind die USA zur Zeit der Großen Depression.

Ebenfalls eine Literaturverfilmung ist die Neuauflage von „Die drei Musketiere“, sie kommt im Herbst in die Kinos. Der Klassiker von Alexandre Dumas wird diesmal von Paul W. S. Anderson („Mortal Kombat“, „Resident Evil“, „Aliens versus Predator“) in Szene gesetzt, man darf sich wohl auf noch mehr derbe Action mit Waltz freuen. Er spielt hier wieder den Bösewicht - auch wenn er das nicht gerne hört, wie er im „Welt“-Interview sagt, weil er ungern der schwarz-weiß-Darstellung von Gut und Böse folgt. Kardinal Richelieu wird er wohl ebenso vieldeutig spielen wie Hans Landa. Neben ihm in weiteren Rollen: Orlando Bloom und Milla Jovovich.

„Wie österreichisch denn noch?“

Ab Februar arbeitet Waltz an einem Projekt, das schon eher nach Hochkultur riecht: Roman Polanskis Verfilmung des Theaterstücks „Der Gott des Gemetzels“ der französischen Schriftstellerin Yasmina Reza. Zwei Ehepaare sitzen einander gegenüber, die im Lauf des Abends immer aggressiver werden. Das Stück war schon am Burgtheater in Wien zu sehen. Neben Waltz in den Hauptrollen: Kate Winslet, Jodie Foster und John C. Reilly.

Waltz ist also ganz groß im Geschäft. Und alle Nationalchauvinisten, die sich durch seine Aussage von der „Schleimigkeit“ getroffen fühlen, können aufatmen: Waltz fühlt sich durch und durch als Österreicher, wie er im Zuge der Staatsbürgerschaftsdebatte nach der Oscar-Verleihung genervt zu Protokoll gab: „Ich bin in Wien geboren, ich bin in Wien aufgewachsen, ich bin in Wien zur Schule gegangen, ich habe in Wien Matura gemacht, ich habe in Wien studiert, ich habe in Wien mein Berufsleben begonnen, ich habe in Wien zum ersten Mal Theater gespielt, ich habe in Wien zum ersten Mal gedreht, es gibt noch ein paar Wiener Details. Wie österreichisch wollen Sie es denn noch haben?“ Vielleicht ein bisschen schleimiger?

Simon Hadler, ORF.at

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