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Plusgrade im Dezember

In Grönland ist die Sonne nach der Polarnacht dieses Jahr um zwei Tage zu früh aufgegangen. Laut dem grönländischen Rundfunk KNR zeigte sich das Zentralgestirn in Ilulissat bereits am Dienstag um exakt 12:56:57 Uhr. Normalerweise geht die Sonne in der westgrönländischen Siedlung jedoch erst am 13. Jänner erstmals im Jahr wieder auf.

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Einem Experten der Uni Wien zufolge dürfte die Beobachtung auf das zuletzt stark beschleunigte Abschmelzen des grönländischen Inlandeises zurückzuführen sein. Denn eines ist sicher - an der Konstellation der Gestirne hat sich mit Sicherheit nichts geändert.

Die grönlaendische Stadt Ilulissat

AP/Michael Kappeler

Ilulissat liegt in Westgrönland und lebt vom Fischfang und Tourismus.

Bewohner der mit 4.500 Einwohnern drittgrößten Stadt Grönlands machten sich wegen der zu früh erschienenen Sonne Sorgen. „Hier im Ort kommt die Sonne erst am 13. Jänner. Da stimmt wohl das eine oder andere nicht“, zitierte KNR einen 74-jährigen Einheimischen in einem Bericht auf seiner Website.

Keine Änderung bei der Erdrotation

Wissenschaftler schließen jedenfalls aus, dass die Beobachtung geophysikalische oder astronomische Gründe haben könnte. „An der Konstellation der Gestirne hat sich sicher nichts geändert“, so Wolfgang Lenhardt, Leiter der Abteilung Geophysik bei der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) in Wien. „Da wäre schon ein Aufschrei um die Welt gegangen.“ Die Daten von Erdachse und Erdrotation würden ständig und minuziös überwacht.

Horizont sinkt

Thomas Posch vom Institut für Astronomie der Universität Wien schloss astronomische Gründe für das verfrühte Ende der Polarnacht ebenfalls aus. Er vermutet, dass die Beobachtung auf eine lokale Veränderung des Horizonts zurückzuführen ist. Ein durch das beschleunigte Abschmelzen des grönländischen Eisschildes bedingter niedrigerer Horizont erscheine als die „bei weitem naheliegendste“ Erklärung. Lenhardt zufolge könnte es sich eventuell auch noch um ein atmosphärisches Phänomen - etwa eine durch Eiskristalle hervorgerufene Luftspiegelung - handeln.

Gletscher schmelzen rasant

Die alarmierende Meldung über den Rückgang der Grönland-Eisschicht wird auch von aktuellen Klimastudien belegt. Ein Bericht der Welt-Meteorologieorganisation (WMO) zeigt, dass die Temperaturen in Grönland im Schnitt um drei Grad Celsius über dem Normalwert lagen. Dadurch kam es in den vergangenen Jahren zu einer verstärkten Gletscherschmelze im Sommer.

Wetterrekorde im Dezember

Und auch der heurige Winter hat nicht viel dazu beigetragen, dass die Schnee- und Eisschicht wieder wächst. Im Dezember lagen die Temperaturen in den bewohnten Küstenregionen um den Nullpunkt und damit weit über dem langjährigen Durchschnitt. Statt Schnee fiel im Süden der Insel sogar Regen.

KNR meldete im Dezember gleich mehrere Wetterrekorde aus der Arktisregion. So regnete es in der Gemeinde Kuujjuaq am 1. Dezember erstmals seit Beginn der Wetteraufzeichnungen einen Zentimeter. In Salluit an der Hudson-Meerenge hatte es zu Weihnachten drei Grad plus. Normal sind dort zur Weihnachtszeit zwischen minus 19 und minus 27 Grad Celsius.

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