EZB äußerte Vorbehalte
Als 17. Staat tritt Estland am 1. Jänner der Euro-Zone bei. Die Schuldenkrise vieler Euro-Länder kennt das Land nicht. Mit einem für 2011 prognostizierten Haushaltsdefizit von 1,3 Prozent des BIP weist es eine der niedrigsten Staatsverschuldungen auf und gilt bei der EU-Kommission wegen seiner Haushaltsdisziplin als „Musterknabe“.
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Auch von einer Staatsverschuldung von 7,2 Prozent des BIP können die meisten Euro-Mitglieder nur träumen. Analysten erwarten sich daher keine Probleme beim Umstieg. Unter den baltischen Staaten nimmt Estland damit eine Vorreiterrolle ein. Lettland und Litauen schaffen es nach Einschätzung von Experten frühestens 2015.
Hindernis hohe Inflation
Trotz aller Zuversicht und positiver Wirtschaftsdaten: Hätte die Europäische Zentralbank (EZB) alleine zu entscheiden gehabt, würde Estland kommende Woche nicht der Euro-Zone beitreten. Vorbehalte äußerte die EZB vor allem wegen der Inflation. Befürchtet wurde, dass Estland diese nicht gut genug im Griff habe. Die EZB wurde im Mai allerdings von der EU-Kommission überstimmt. Estland bekam grünes Licht.
Für 2011 rechnet die estnische Zentralbank mit einer Inflation von 3,5 Prozent - 0,8 Prozentpunkte mehr als prognostiziert worden war. An einer zu hohen Inflation sind die Esten schon 2007 beim Euro-Beitritt gescheitert.
Angst vor Teuerung und Identitätsverlust
Das 1,3-Millionen-Einwohner-Land erhofft sich mit dem Euro eine weitere Annäherung an den Westen und Loslösung vom russischen Nachbarn. Zudem sollen zusätzliche Investoren aus dem Ausland angelockt und der Handel gestärkt werden. Allerdings sind nicht alle von der Euro-Einführung begeistert. Während die Regierung von einem großen Erfolg spricht, freuen sich laut einer Umfrage von vor wenigen Tagen nur noch 52 Prozent der Bevölkerung auf den Euro.
Skeptisch sind die Befragten vor allem wegen des Verlusts der nationalen Identität mit dem Wegfall der Krone-Währung. Auch die Furcht vor dem Teuerungseffekt und Bedenken wegen der derzeitigen Schwäche des Euros wurden genannt. Noch vor wenigen Wochen zeigte sich die EU-Kommission besorgt, dass Unternehmen die Umstellungsphase zu versteckten Preissteigerungen ausnützen könnten.
Schulden anderer Länder
Unzufrieden ist die Bevölkerung vor allem wegen der Sorge, für die Schulden anderer aufkommen zu müssen. „Wir kamen vor gerade mal 20 Jahren von der zerbröckelnden Sowjetunion frei. Jetzt binden wir uns an eine bröckelnde Währungsunion“, kritisiert einer der Euro-Gegner in Estland.
Denn mit dem Beitritt zur Euro-Zone übernimmt Estland auch Pflichten. Ab Jänner wird sich der baltische Staat an dem Hilfspaket für Irland beteiligen. Was den Beitrag Estlands zur Griechenland-Hilfe betrifft, wird das baltische Land laut Kommission die Entscheidung im Jänner treffen.
„Mehr Risiken in der Euro-Zone“
Diese Rettungsaktionen für Griechenland und Irland, die Unsicherheit über die Stärke der Währungsgemeinschaft und die Angst vor einer Transferunion sind es auch, die das Euro-Interesse anderer Mitgliedskandidaten wie Polen und Tschechien drückt. Denn selbst Euro-Mitgliedsländer wie Portugal und Spanien haben auf den Märkten hohe Refinanzierungskosten zu tragen und damit keine offensichtlichen Vorteile von der Gemeinschaftswährung.
„Es gibt mehr Risiken, wenn man in der Euro-Zone ist, als wenn man nicht in ihr ist“, stellte vor kurzem auch der polnische Notenbankchef Marek Belka fest. Die Abwertung des polnischen Zloty trug offenbar stark dazu bei, dass Polen nicht in die Rezession abrutschte.
„Nicht in Krise Prozess stoppen“
Estland hingegen entgegnete dem Absturz des Wachstums während der Wirtschaftskrise nicht mit einer Abwertung der an den Euro gebundenen Krone, sondern mit einem einschneidenden Sparkurs - getragen von dem Ziel, bald den Euro im Land einzuführen. Nach starken Einbußen wird für das kommende Jahr nun wieder ein Wirtschaftswachstum von 3,9 Prozent erwartet.
Die finanzielle und politische Stabilität ist es auch, die die Währungsumstellung auch in der Schuldenkrise ermöglicht. „In der Krise innezuhalten und den Prozess zu stoppen, wäre Panikmache“, betonte Friedrich Heinemann vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW).
„Nutzloser Dreck“
Die Umstellung von der Krone zum Euro wurde langfristig vorbereitet. Auch wenn sich jetzt laut Umfragen über 90 Prozent der Bevölkerung gut informiert über die Währungsumstellung fühlen, verlief diese Informationskampagne nicht ohne Pannen. Insbesondere die über eine halbe Million Euro-Umrechner, die an alle Haushalte um insgesamt 300.000 Euro verschickt wurden, verursachte Unmut. Der estnische EU-Abgeordnete Indrek Tarand bezeichnete diese Geräte schlichtweg als „nutzlosen Dreck“.
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