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Von Fundamentalisten unter Druck gesetzt

Für die vom Terror bedrohte christliche Minderheit im Irak gibt es in diesem Jahr keine Weihnachtsfeiern. Die Gläubigen sollen sich in den christlichen Zentren Basra, Bagdad, Mossul und Kirkuk an den Festtagen nur kurz zum gemeinsamen Gebet versammeln, wie am Mittwoch in Bagdad bekanntwurde.

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Offiziell wurde das als Zeichen der Trauer um die 58 christlichen Opfer bezeichnet, die Ende Oktober in einer Bagdader Kirche von islamistischen Terroristen getötet worden waren. Hinter den Kulissen hieß es jedoch, die Christen würden nicht nur von sunnitischen Terrorgruppen, sondern auch von schiitischen Fundamentalisten massiv unter Druck gesetzt.

„Nur kurzes Gebet“

Gemeindevertreter in Bagdad und Basra erklärten, man habe die Weihnachtsfeiern auch deshalb abgesagt, um „die religiösen Gefühle der Muslime nicht zu verletzen“. Denn Weihnachten fällt dieses Jahr in den islamischen Monat Muharram, der vor allem für die Schiiten als Trauermonat von großer Bedeutung ist.

In der vorwiegend von Schiiten bewohnten südlichen Hafenstadt Basra ist auch kein Neujahrsfest für Christen geplant. Der Vorsitzende des Komitees für religiöse Minderheiten im Stadtrat, Saad Mata Butros, sagte der Nachrichtenagentur dpa: „Alle Weihnachts- und Neujahrsfeiern in Basra wurden abgesagt, es wird nur noch am Weihnachtstag ein Gebet in der Kirche stattfinden.“

Schutz für Minderheit gefordert

Unterdessen forderte der Vorsitzende der Regierungsbehörde für die nicht-muslimischen Stiftungen im Irak, Abdullah al-Nawfali, mehr Unterstützung für die bedrohte Minderheit. Im Land müsse eine autonome Zone für die Christen geschaffen werden, die sich in ihren Häusern nicht mehr sicher fühlten, sagte er der halbamtlichen Zeitung „Al-Sabah“ (Mittwoch-Ausgabe). „Wir müssen eine Alternative zur Flucht ins Ausland schaffen.“

Seit 2003 1,5 Millionen geflohen

Seit der US-Invasion im Irak 2003 hat mehr als die Hälfte der damals rund 1,5 Millionen Christen aus Angst vor islamistischen Terroristen das Land verlassen. Nach dem Blutbad in der Bagdader Kirche vor rund sieben Wochen kehrten allein in Basra 40 der zuletzt dort lebenden 500 christlichen Familien ihrem Land den Rücken.

In der Nacht auf Mittwoch tauchte auf islamistischen Websites eine gegen die irakischen Christen gerichtete Morddrohung im Namen der Al-Kaida nahestehenden Gruppe Islamischer Staat im Irak auf. Für die Echtheit dieser Botschaft, in der die irakischen Christen für angebliche Missetaten der koptisch-orthodoxen Kirche in Ägypten verantwortlich gemacht werden, gibt es jedoch keinen Beweis.