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Mehr Kompetenzen für den Bund

Rund elf Milliarden Euro kosten Österreichs Spitäler in diesem Jahr. Die Tendenz ist steigend. Mit einer Spitalsreform möchte Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) nach der Krankenkassensanierung nun diesen „wichtigen Brocken“ im Gesundheitssystem angehen. Widerstand kam vor allem aus den ÖVP-regierten Ländern.

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Noch vor kurzem bezeichnete Niederösterreichs stellvertretender Landeshauptmann Wolfgang Sobotka (ÖVP) den Vorschlag, Kompetenzen für die Spitäler an den Bund zu übertragen, als „Frechheit“. Mittlerweile seien die kritischen Stimmen ruhiger geworden, betonte Stöger im ORF.at-Interview. Sein Ziel ist es, österreichweit einheitliche Rahmenbedingungen für den Spitalsbereich zu schaffen um „eiserne Vorhänge“ zwischen den Bundesländern aufzuheben, die Gelder des Bundes zu bündeln und mehr Transparenz bei Qualität und Leistungen zu schaffen.

Unterschiedliche Pläne

Vor wenigen Wochen erhielt er inhaltliche Unterstützung vom Hauptverband der Sozialversicherungsträger. Dessen „Masterplan Gesundheit“ hat ähnliche Ziele und möchte ebenso Planung, Steuerung und Finanzierung auf den Bund übertragen, das Operative den Ländern überlassen. „In unserem Plan kommt allerdings der Spitalsbereich zuletzt. Zunächst geht es um die Strategie, dann um die Struktur“, betonte Hauptverbandschef Hans Jörg Schelling gegenüber ORF.at. Er will insbesondere den niedergelassenen Bereich mehr stärken. Über eine umfassende Reform sollen alle beteiligten Gruppen in einer nationalen Gesundheitskonferenz Anfang 2011 diskutieren.

Derzeit werde mit dem Gesundheitsministerium der Prozess dafür abgestimmt, so Schelling. Er gehe „selbstverständlich“ davon aus, dass auch Stöger an der Konferenz teilnehme. Dieser sieht in dem Masterplan zwar seine eigene Position gestärkt, gegenüber ORF.at erklärt der Gesundheitsminister aber, warum er dennoch bei seinem Weg bleiben möchte – gemeinsam mit allen Beteiligten von der Sozialversicherung bis zu den Ländern.

ORF.at: Wie laufen die Verhandlungen mit den Ländern?

Stöger: Ich habe die Länder in der Bundesgesundheitskommission über meine Ziele informiert. Auf Ebene der Beamten haben wir bereits erste Gespräche geführt. Da gibt es gute Rückmeldungen und Interesse an der Diskussion. Dieser Prozess läuft gut.

ORF.at: Die Kritiker sind alle verstummt?

Stöger: Die Kritiker sind ruhiger geworden. Ich denke, dass viele erkennen, dass Planung, Steuerung und Finanzierung in eine Gesamtverantwortung kommen sollen.

ORF.at: Ist es realistisch, dass die Reform mit Unterstützung aller Beteiligten, auch der Länder, durchgebracht werden kann?

Stöger: Ich gehe davon aus, dass der Diskussionsprozess erhöht wird. Das Ergebnis wird sicher so sein, dass wir, was den Bund anbelangt, die Mittel bündeln werden. Es soll auch keine eisernen Grenzen zwischen den Bundesländern geben. Es liegt dann in der Verantwortung der Länder, die Versorgungssituation im benachbarten Bundesland zu berücksichtigen.

ORF.at: Welche Konsequenzen hat das für Spitäler mit Standorten, die nur wenige Kilometer voneinander entfernt sind?

Stöger: Es geht hier nicht darum, Standorte zu schließen. Aber ich halte es nicht für gescheit, wenn man im Abstand von 20 Kilometern zwei Herzzentren baut. Besonders in regionalen Spitälern müssen auch Leistungen wie die psychosoziale Versorgung und die Altersmedizin hineingenommen werden. Da herrscht überall durchaus Unterversorgung.

ORF.at: Dann sind Spitäler wie etwa in Baden und in Mödling, die nur wenige Kilometer auseinanderliegen, Ihren Plänen zufolge in Ordnung?

Stöger: Es bleibt nach wie vor in der Kompetenz der jeweiligen Landesregierung, wo sie ihre Standorte setzen will, und es ist auch deren Verantwortung, mit ihren Ressourcen vernünftig umzugehen. Ich will nicht der Obergescheite aus Wien sein, der Standorte beurteilt. Aber ich merke etwa in Niederösterreich, dass sehr oft der Gesichtspunkt verschoben wird und mehr die Frage der regionalpolitischen Funktion eines Krankenhauses überlegt wird. Meiner Meinung nach geht es aber mehr um die gesundheitspolitische Funktion und die Frage, ob wir die Qualität schaffen, die wir brauchen. Es ist manchmal gut, wenn Fallzahlen erbracht werden. Ich würde mich nicht in ein Regionalkrankenhaus legen, wenn ich weiß, dass dort die Operation zweimal im Jahr gemacht wird.

ORF.at: Nach welchen Kriterien soll das Geld künftig vom Bund fließen?

Stöger: Es muss eine Qualitätssicherung vom Krankenhaus vorgenommen werden. Nur Spitäler, die Qualität bringen, können öffentliche Gelder haben. Auch die Versorgung in der Region und die Grundleistungen spielen eine Rolle. Die anderen Zielkategorien sind mit den Ländern zu vereinbaren.

ORF.at: Ist es angedacht, dass eine Mindestzahl an Operationen als Voraussetzung für die Finanzierung notwendig wird?

Stöger: Wenn die Qualität davon abhängt, dass es eine gewisse Menge gibt, dann sehe ich es als Kriterium. Das schützt ja auch die Patienten und Patientinnen.

ORF.at: Sehen Sie eine Gefahr dabei, dass Spitäler ihre Zahlen künstlich nach oben schrauben, indem sie Operationen durchführen, die nicht unbedingt notwendig wären?

Stöger: Ein gutes Krankenhaus wird immer im Interesse von Patienten handeln. Wenn es das nicht tut, hat es ein großes Qualitätsproblem. Dann ist es gefährdet. Ich frage aber umgekehrt: Was brauchen Patienten? Von ihnen kommt der Druck auf gute Qualität.

ORF.at: Die Länder signalisieren nun offenbar leichte Zustimmung zu ihren Plänen. Läuft das Match nun auf einer anderen Ebene mit dem Hauptverband und dessen vorgestelltem Masterplan Gesundheit? Was sind die Unterschiede zu Ihren Plänen?

Stöger: Ich habe öffentlich die Spitalsdiskussion begonnen. Der Hauptverband hat diese Rolle durchaus unterstützt. Inhaltliche Unterschiede sehe ich kaum. Mir geht es immer darum, gemeinsam mit den beteiligten Gruppen - Sozialversicherung, Spitäler und Länder - innerhalb der Bundesgesundheitskommission einvernehmlich einen Diskussionsprozess zu führen. Da ist die Sozialversicherung ein wichtiger Partner.

ORF.at: Werden Sie an der vom Hauptverband initiierten nationalen Gesundheitskonferenz Anfang 2011 teilnehmen?

Stöger: Wir haben eine Bundesgesundheitskommission, und diese ist das richtige Gremium für die Diskussion der Spitalsfrage. Ich glaube, dass das mittlerweile auch der Hauptverband so sieht.

Das Gespräch führte Simone Leonhartsberger, ORF.at

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