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Kleine Spitäler haben Kostennachteile

Klein strukturierte Spitalslandschaft, Überversorgung mit Krankenhausbetten und steigende Personalkosten: Das österreichische Spitalswesen krankt und wird immer teurer. Seit 1999 sind die Ausgaben für die stationäre Versorgung um über 56 Prozent auf mehr als elf Milliarden Euro in diesem Jahr gestiegen.

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Laut Berechnungen des Instituts für Höhere Studien (IHS) könnten die Ausgaben für öffentliche Spitäler bis 2020 noch mehr werden und auf 16,2 Mrd. Euro ansteigen. Die politische Zersplitterung der Kompetenzen für Spitäler macht das System nicht effizienter. „Standortgarantien erschweren die Einrichtung von überregionalen stationären Versorgungsstrukturen und die Schaffung von optimalen Betriebsgrößen“, hieß es schon in einem Expertenbericht zur Verwaltungsreform Anfang des Sommers.

Spitäler mit weniger als 300 Betten müssen mit Kostennachteilen rechnen, sind die Experten überzeugt. In Österreich haben von 130 „Fondskrankenanstalten“ - im Prinzip öffentliche Spitäler - 50 weniger als 200 Betten, insgesamt 81 Krankenhäuser stellen weniger als 300 Betten zur Verfügung.

Unklare Auslastung

Ob diese Spitäler tatsächlich ausgelastet sind, kann nicht wirklich zufriedenstellend beantwortet werden, ist der Gesundheitsökonom Ernest Pichlbauer im Gespräch mit ORF.at überzeugt und gibt ein Beispiel: „Als während eines akuten Hochwassers das Krankenhaus in Mittersill in Salzburg geräumt werden musste, waren 60 von 70 Betten belegt. Allerdings wurden nur 18 Patienten in das nächste Krankenhaus nach Schwarzach im Pongau verlegt. Die restlichen Patienten konnten sofort entlassen werden.“ Für Pichlbauer ein Zeichen, „dass kleine Spitäler unnötig Menschen aufnehmen“.

„Sechs Spitäler reichen“

Dennoch werden bestehende Spitäler erweitert und neue gebaut, obwohl etwa wie im Fall von Baden und Mödling in Niederösterreich nur rund zehn Kilometer zwischen den beiden Standorten liegen. Vom wirtschaftlichen Standpunkt sei das aus Ländersicht nachvollziehbar, analysiert Pichlbauer. Mit einem Ausbau des Spitals in Neunkirchen trotz der Nähe zu Wiener Neustadt gebe man dem südlichen Niederösterreich neue Impulse in der Bauwirtschaft und mit Arbeitsplätzen.

„Für die Bevölkerung wäre es aber sinnvoller, Paläste zu bauen und die Gesundheitsversorgung in Wohnnähe zu gestalten“, unkt der Gesundheitsökonom. In Niederösterreich würden theoretisch sechs Standorte ausreichen, zitiert er aus einer nicht veröffentlichten Studie. Derzeit gibt es in Niederösterreich 27 Spitäler.

Niederösterreichs stellvertretender Landeshauptmann Wolfgang Sobotka (ÖVP) betonte über seinen Sprecher gegenüber ORF.at, dass etwa mit der Erneuerung der Spitäler Baden und Mödling auch ein gesetzlicher Auftrag erfüllt werde, da eine Erreichbarkeit von einem Krankenhaus innerhalb von 30 Minuten garantiert werden müsse. Auch Niederösterreich habe ein Interesse daran, die Zusammenarbeit zwischen Spitälern und dem niedergelassenen Bereich zu forcieren.

Abstimmung fehlt

Die Ineffizienz insbesondere der kleineren Spitäler führt Pichlbauer vor allem auf die mangelnde Abstimmung mit dem Rehabilitations- und Pflegebereich zurück. „Es gibt kein Argument für Kleinstspitäler. Es besteht ein nachhaltiges Qualitätsproblem und es werden Ressourcen gebunden, die man etwa für Hausbesuche oder die finanzielle Unterstützung der Pflege brauchen würde.“

Vielmehr sollten kleine Spitäler in Ärztezentren umgebaut werden, die diagnostizieren und die Patienten weiterlenken. Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) versucht eine Reform in diese Richtung und will die Länder bei den Spitälern entmachten. Statt neun Ländergesetzen und einer Regelung für den Bund soll nur noch ein einziges bundesweit geltendes Krankenanstaltengesetz das Spitalswesen in Österreich regeln. Geld soll vom Bund nur noch fließen, wenn sich die Spitäler an gemeinsam definierte Zielvorgaben halten.

Chirurgie für 5.000 Menschen

Die Kritik insbesondere aus ÖVP-regierten Ländern ist groß. Pichlbauer begrüßt diesen Vorstoß, hält ihn aber für wenig realistisch. Immerhin würden dadurch aber die Grenzhürden zwischen den Bundesländern wegfallen, so Pichlbauer. Er erinnerte an den Streit, ob das neue Krankenhaus im steirischen Bad Aussee eine Chirurgie brauche oder nicht. Eine Kooperation mit dem rund 30 Autominuten und rund 26 Kilometer entfernten Bad Ischl funktionierte nicht, weil Bad Ischl bereits auf der oberösterreichischen Seite des Salzkammerguts liegt, ist Pichelbauer überzeugt.

Offiziell gelte daher das Krankenhaus in Rottenmann als Kooperationspartner - das ist aber mit rund 54 Kilometern doppelt so weit entfernt. Die Chirurgie in Bad Aussee wird nach Protesten gebaut, deshalb steht für den Gesundheitsökonomen die Sinnhaftigkeit weiter infrage: „Eine Chirurgie rechnet sich ab 60.000 Einwohnern.“ In Bad Aussee leben knapp 5.000 Menschen.

Zersplitterung in den Ländern

Mit den derzeit zehn Gesetzen ist es aber nicht getan, denn auch innerhalb der Bundesländer gibt es Gerangel unter den unterschiedlichen Trägern - vom Land, den Gemeinden bis zu den Ordensspitälern. Entsprechend zersplittert sind auch die Finanzierungsströme der Spitäler. In Tirol etwa gehören einige Spitäler zur Landeskrankenanstaltengesellschaft TILAK, andere Anstalten wie die Krankenhäuser Lienz und St. Johann werden von den Gemeinden verwaltet, das Zamser Spital von den Barmherzigen Schwestern.

„Besonders dramatisch ist die Situation in Oberösterreich“, erklärte Pichlbauer. Mit 50 Prozent hätten dort die Ordensspitäler den größten Marktanteil, gefolgt vom AKH Linz und den Spitälern der Oberösterreichischen Gesundheits- und SpitalsAG (GESPAG). Jeder versuche so viele Patienten wie möglich für sich zu generieren. Pichlbauer: „Konsequenz daraus ist, dass Oberösterreich die höchste Spitalshäufigkeit in ganz Österreich hat.“

Erster Schritt Richtung Kooperation

Einen ersten Schritt der angekündigten und heftig bekämpften Spitalsreform machte Stöger bereits: Der neu beschlossene „Österreichische Strukturplan Gesundheit 2010“ sieht erstmals eine koordinierte und überregionale Planung der Gesundheitsversorgung durch Spitäler vor. Große, überregionale Krankenhäuser sollen laut Plan komplexere Behandlungen anbieten, kleine Anstalten die Grundversorgung gewährleisten. An eine Schließung von Spitälern ist dabei aber nicht gedacht.

Simone Leonhartsberger, ORF.at

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