Vor vierter Amtszeit
Seit 16 Jahren regiert Alexander Lukaschenko mit eiserner Hand in Weißrussland. Bei der Präsidentschaftswahl am Sonntag will er sich eine vierte Amtszeit vom Volk absegnen lassen. Sein Sieg gilt als mehr als wahrscheinlich, da die Opposition stark zersplittert ist und in den Medien des Landes nicht zu Wort kommt.
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Laut einer Nachwahlbefragung kommt Lukaschenko auf 72 Prozent der Stimmen. Sein stärkster Rivale, Andrei Sannikow, erzielt demnach nur sechs Prozent. Wegen seines autoritären Führungsstils wird Lukaschenko von westlichen Politikern oft als „letzter Diktator Europas“ bezeichnet. Zwar will der 56-Jährige sein Land näher an die Europäische Union heranführen, die westlichen Rufe nach einer fairen und freien Wahl werden aber wohl auch diesmal wieder ungehört verhallen.
Opposition chancenlos
Bei dem Urnengang wird Lukaschenko von neun Oppositionskandidaten herausgefordert, von denen keinem auch nur die Chance auf einen Achtungserfolg eingeräumt wird. Weder der bekannte Dichter Wladimir Nekliajew noch Dissident Nikolai Statkewitsch und Ex-Außenminister Sannikow sind so populär wie der Führer der größten Oppositionsbewegung „Für die Freiheit“, Alexander Milinkewitsch.
Dieser war Lukaschenko bei dem Urnengang vor vier Jahren unterlegen und kündigte diesmal an, die Wahl zu boykottieren. Er wolle nicht die Rolle eines Statisten übernehmen, sagte er vor kurzem. Lukaschenkos Kritikern gelang es nicht, sich auf einen gemeinsamen Kandidaten zu einigen.
Vorwürfe der Wahlmanipulation
Doch völlig still will sich die Opposition dann doch nicht verhalten. Am Samstag erhoben sie Manipulationsvorwürfe gegen Lukaschenko. „Diese Wahl ist weder frei noch rechtmäßig“, beklagte der Oppositionskandidat Wladimir Nekliajew bei einer Pressekonferenz mit seinem Mitbewerber Andrej Sannikow. Da es in Weißrussland möglich ist, schon Tage vor der Abstimmung die Stimmkarten abzugeben, vermutet die Opposition, dass bereits abgegebenen Stimmzettel vor der Auszählung austauscht werden.
„Wozu da noch Wahlen fälschen?“
Doch Lukaschenko nimmt diese Vorwürfe gelassen. Er erwartet bei der Wahl ein Ergebnis für sich von über 70 Prozent. „Die versammelte Opposition kommt auf etwa 1,5 Prozent. Wozu da noch Wahlen fälschen?“, sagte er kürzlich gegenüber Journalisten auf eine Frage zu den erneut befürchteten Manipulationen der Ergebnisse. Unabhängige Experten gehen allerdings davon aus, dass die Zustimmung für ihn deutlich unter 50 Prozent liegt.
Nur die Wahlen, mit denen Lukaschenko 1994 an die Macht gekommen ist, wurden von Beobachtern als fair eingestuft. Zwei Jahre später peitschte er ein umstrittenes Verfassungreferendum durch, das ihm fast diktatorische Befugnisse zubilligte und das Parlament beträchtlich schwächte. Die Präsidentschaftswahlen 2001 und 2006 verfehlten die demokratischen Standards nach Angaben von Beobachtern eindeutig.
Mehrere Gegner Lukaschenkos wurden damals zu jahrelangen Haftstrafen verurteilt, darunter auch der Präsidentschaftskandidat von 2006, Alexander Kasulin. Zwei dieser Verurteilten wurden laut Amnesty International im März mit Schüssen in den Rücken hingerichtet.
Anordnung: Wahlergebnis „um die 80 Prozent“
Seine Wahlsiege sicherte sich Lukaschenko stets mit einer Mehrheit von mindestens 75 Prozent. Im Jahr 2006 fuhr er offiziellen Angaben zufolge 83 Prozent der Stimmen ein - dabei hätten eigentlich noch viel mehr Menschen für ihn gestimmt, wie Lukaschenko bizarrerweise im vergangenen Jahr behauptete. „Ich habe die Anordnung gegeben, dass es (das Wahlergebnis) nicht bei 93 Prozent liegen darf, sondern bei etwas um die 80“, gestand er damals ein.
Mit Eislaufplatz gegen Demonstranten
Neuen Demonstrationen gegen das Wahlergebnis hat der Amtsinhaber bereits im Vorfeld starke Gegenwehr angekündigt. „Liebe Freunde, geht nicht auf die Straßen oder anderswohin. Ihr kriegt dieses Land nicht, und wir lassen nicht zu, dass ihr es in Stücke reißt“, kündigte er an. Vor der Abstimmung ließ Lukaschenko in der Hauptstadt aus Furcht vor Massenprotesten gepanzerte Fahrzeuge, Kampftechnik und Militär auffahren.
Zudem griffen die Behörden zu einem ungewöhnlichen Trick. Sie verwandelten den Oktoberplatz, auf dem sich Anhänger von sieben der neun Oppositionskandidaten zu Protesten treffen wollen, in eine Eisbahn. Die örtliche Website Naviny.by taufte die bevorstehende Demonstration deshalb „Revolution auf Schlittschuhen“. „Das Eis stellt kein Problem dar“, versicherte ein Oppositionssprecher der Nachrichtenagentur AFP.
Spannungen mit Russland
Bei aller innenpolitischen Strenge, die ihm zum Wahlsieg wohl verhelfen wird, bleibt ein Faktor, auf den Lukaschenko keinen Einfluss hat: das Wort des großen Nachbarn Russland. Die Beziehungen zwischen den einstigen Verbündeten Moskau und Minsk sind bereits seit mehreren Monaten merklich abgekühlt. In den russischen Medien wurde Lukaschenko als „Psychopath“ dargestellt. Zudem gab es Streit um Gaslieferungen.
Präsident Dimitri Medwedew bezichtigte seinen Kollegen erst vor kurzem einer „anti-russischen Rhetorik“ und bezeichnete ihn als „hysterisch“. Während Russland die umstrittenen Wahlen von 2001 und 2006 noch bedenkenlos anerkannte, sehen Beobachter das für diesen Urnengang noch nicht als gegeben an. Das Vertrauen des großen Partners scheint verloren zu sein.
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