Gegenseitige Radikalisierung
Am Lutoner Bahnhof hatten sich die Attentäter vom 7. Juli 2005 versammelt, bevor sie zu ihren Anschlägen auf die Londoner U-Bahn und einen Linienbus starteten. Dabei starben damals 52 Menschen. Und auch der Attentäter von Stockholm lebte einige Jahre in Luton. Etwas mehr als 200.000 Einwohner hat die Stadt nahe London, rund ein Fünftel sind Muslime. Auch wenn sich der Großteil der Einwohner dagegen verwehrt: Die „Problemstadt“ Luton ist wieder in aller Munde.
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Der Attentäter sei ein ganz normaler Teenager gewesen, behaupten schwedische Freunde und die Familie des 28-jährigen, aus dem Irak stammenden Schweden Taimur Abdel Wahab, der mit einem Bombengürtel am Körper in der Innenstadt Stockholm starb. Erst als er 2001 an die University of Bedfordshire in Luton studieren ging, sei er radikalisiert.
Immer wieder Extremisten verhaftet
Die Stadt rund 50 Kilometer nördlich von London stand in den letzten Jahren mehrmals in Zusammenhang mit islamistischen Extremisten. Nicht nur die Attentäter vom Juli 2005 trafen sich dort, auch bei Polizeirazzien gegen potenzielle Terrorzellen war Luton in den vergangenen Jahren immer wieder Schauplatz des Geschehens.
2009 protestierte dann eine Gruppe radikaler Moslems, darunter Anhänger der 2005 verbotenen Islamistenorganisation Al-Muhadschirun, gegen eine Parade der britischen Armee, deren Regiment gerade aus dem Irak heimgekehrt war. „Babymörder“ und „Terroristen“ war auf den Schildern zu lesen.
Rechte Szene als Gegenbewegung
Dieses Ereignis löste dann auch eine militante Gegenbewegung aus. Die Gruppe United Peoples of Luton formierte sich, aus der schließlich rasch die extrem rechte English Defence League (EDL) hervorging und sich zu einem gehörigen Teil aus der britischen Hooligan-Szene rekrutierte. Bei mehreren EDL-Kundgebungen gegen den Islam in diesem Jahr gab es Festnahmen sowie gewaltsame Zusammenstöße mit Gegendemonstranten.
Die Gruppe lud vor kurzem den umstrittenen US-Pastor Terry Jones für Februar nach Luton ein, der durch eine geplante Koranverbrennung bekanntgeworden war. Bei einer Kundgebung sollte er „über das Böse und Zerstörerische des Islam“ sprechen. Nachdem die britische Regierung ein Einreiseverbot überlegte, zog die EDL die Einladung zurück: Man würde den Äußerungen des Pastors zu Rassenfragen und Homosexualität nicht zustimmen können.
Wirtschaftliche Probleme
Von einer „geteilten Stadt“ sprechen Medien, die schon in den Schulen beginne. Und die Spannungen hätten in den vergangenen Jahren zur Radikalisierung auf beiden Seiten beigetragen.
Beobachter machen auf politische Versäumnisse aufmerksam. Spätestens mit dem Niedergang des Vauxhall-Werkes, des größten Arbeitgebers der Stadt, sei es bergab gegangen. Nun liegt das Durchschnittseinkommen weit unter dem britischen Schnitt. Das einzige Aushängeschild sei der Flughafen, den der Billigflieger EasyJet für London anfliegt.
Versagen der Politik?
Und die Politiker hätten auf die Bewohner schlichtweg vergessen: Bei den weißen Arbeitern habe man das Feld der EDL und anderen Populisten überlassen, und auch für die zumeist aus Asien stammenden Muslime gebe es kaum Angebote, so dass diese sich vertreten fühlen könnten.
Zu dieser Einschätzungen kommen auch US-Diplomaten, wie der „Guardian“ am Dienstag unter Berufung auf die Enthüllungsplattform WikiLeaks zitierte: Großbritannien tue zu wenig für eine gute Zusammenarbeit mit der muslimischen Gemeinschaft im Land. Die britische Regierung habe nach den Terroranschlägen in London am 7. Juli 2005 zwar reichlich „Zeit und Ressourcen“ investiert, um radikale Muslime auszusondern. Sie habe allerdings „wenig Fortschritt“ bei der Einbindung der muslimischen Gemeinschaft gemacht, heißt es der Zeitung zufolge in dem Dokument vom Sommer 2006.
Bewohner geben sich versöhnlich
Die Bewohner Lutons sind indes um Schadensbegrenzung bemüht – und das auf beiden Seiten. Inayat Bunglawala vom Dachverband muslimischer Organisationen räumte gegenüber dem „Independent“ ein, dass es in seiner Heimatstadt Luton eine kleine Gruppe von Extremisten gebe: „Ja wir haben einige Verrückte“, und diese sollten auch von den Behörden verfolgt werden. Der Großteil der Muslime der Stadt würde aber unter dem Image der Stadt als Brutstätte des Terrorismus leiden. Auch Peter Adams vom Kirchendachverband Churches together betonte, dass die kleinen Gruppen von Extremisten auf beiden Seiten die Gesamtbevölkerung nicht widerspiegelten.
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