Polizei schweigt zur Identität
Schwedische und britische Medien haben den Attentäter von Stockholm offenbar identifiziert. Bei dem Mann, der bei einer Explosion am Samstagnachmittag ums Leben kam, soll es sich um den 28-jährigen im Irak geborenen Mudschahid Taimur Abdel Wahab handeln. Auch eine islamistische Website nannte den Namen und zeigte ein Foto des Mannes. Von der Polizei gibt es noch keine Bestätigung.
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„Das ist unser Bruder, der Mudschahid Taimur Abdel Wahab, der die Märtyrertat in Stockholm vollbracht hat“, meldete die islamistische Website Schumuch al-Islam am Sonntag. Dazu wurde ein Foto des angeblichen Attentäters gestellt. Die Website feierte sich selbst für den „großen Medien-Coup: ein exklusives Foto des Attentäters von Schweden“.
Das Foto zeigt den angeblichen Attentäter in schwarzer westlicher Kleidung, mit einer schwarzen Brille und Händen in den Taschen vor einem grünen Tal. Auf der Website werden weder das Alter, noch die Staatsangehörigkeit des Mannes genannt. Auch wird nicht gesagt, ob er einer extremistischen Gruppe angehört.
In Großbritannien studiert
Die Zeitungen „Aftonbladet“ und „Expressen“ berichten, dass der Mann auch der Besitzer jenes Autos war, das ebenfalls in die Luft ging. Von ihm gebe es auch Märtyrer-Videos auf Facebook. Auf einer weiteren Website gab er an, verheiratet zu sein und zwei Kinder zu haben. Nach Schweden kam er demnach 1992. 2001 bis 2004 studierte er Sporttherapie an der University of Bedfordshire im britischen Luton.
Die Polizei kommentierte Pressekonferenz am Sonntag weder die Spekulationen über die Identität des Attentäters noch die Medienberichte über eine Drohmail. Demnach haben sowohl die Nachrichtenagentur TT als auch die Polizei unmittelbar vor den Explosionen eine Drohmail und den auf Band gesprochenen Abschiedstext eines Mannes bekommen. Es wurde bisher aber nicht offiziell bestätigt, dass der Selbstmordattentäter der Absender der in Schwedisch und Arabisch verfassten Texte war.
Nach Informationen der Zeitung „Aftonbladet“ soll der Absender der Drohmail und des gesprochenen Textes der 28-jähriger Mann sein, der mit seinem vollen Namen unterschrieben hat.
Aufruf zum „Dschihad“ gegen Schweden
In den Drohmails soll der Mann zum „Dschihad“ gegen Schweden aufgerufen haben. Seinen Aufruf zum Terror soll der Mann unter anderem mit dem „Schweigen des schwedischen Volkes“ zur Mohammed-Karikatur des heimischen Künstlers Lars Vilks sowie die Anwesenheit schwedischer Soldaten in Afghanistan begründet haben.
Die Drohung per E-Mail vor der Explosion spricht nach Expertenansicht gegen eine Verbindung des Attentäters zum Terrornetzwerk Al-Kaida. Denn die Terroristen, die auf den Befehl der Führung um Osama bin Laden hören, hatten sich bisher nur nachträglich zu ihren Taten geäußert, etwa durch die Veröffentlichung von „Märtyrer-Botschaften“.
Der zuständige Staatsanwalt Thomas Lindstrand kündigte schnelle Ermittlungen zur Frage möglicher Mittäter an. Grundsätzlich erwarte man keine neue akute Gefährdung für Schweden, hieß es weiter. Man werde deshalb die seit Oktober geltende Einstufung beim Terroralarm unverändert lassen. In der Stockholmer Innenstadt soll dennoch ab sofort zusätzlich Polizei patrouillieren.
Reinfeldt verteidigt „offene Gesellschaft“
Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt verurteilte den Anschlag scharf. Seine Regierung werde sich dadurch aber nicht von ihrem Eintreten für eine „offene Gesellschaft“ abhalten lassen, sagte Reinfeldt am Sonntag vor Journalisten. Er warnte zudem vor voreiligen Schlüssen und bezeichnete die Ereignisse als „unerwünscht und inakzeptabel“.
Die Regierung stehe in ständigem Kontakt mit Staatsanwaltschaft und Polizei. Wenn es sich als notwendig erweisen sollte, werde die Regierung jederzeit die nötigen Schritte unternehmen, sagte der Regierungschef. Gleichzeitig ersuchte Reinfeldt das schwedische Volk, das sich in der gegenwärtigen Situation „natürlich eine Reihe verständlicher Fragen“ stelle, um Geduld.
Unterdessen rief die schwedische rechtsextremistische Partei „Nationaldemokraten“ als Reaktion auf den Anschlag zu Protesten gegen „Multikultur und Terror“ auf. Gefordert wurde unter anderem ein „Stopp der umfassenden Einwanderung aus den muslimischen Ländern sowie die ehestmögliche Rückkehr aller Einwanderer, die schon hergekommen sind“.
Mit Reißnägeln und Sprengstoff gefüllter Rucksack
Der Attentäter war nach der Explosion einer Rohrbombe an seinem Körper auf der nur relativ kleinen Bryggergatan im Stadtzentrum kurz vor 17.00 Uhr sofort tot. Als erster Augenzeuge berichtete ein Mann mit dem Vornamen Pascal in der Zeitung „Dagens Nyheter“: „Es sah aus, als trug er etwas, was dann direkt vor seinem Bauch explodierte.“ Pascal versuchte, dem mit einer riesigen Bauchwunde am Boden Liegenden erste Hilfe zu leisten: „Ich hab Herz- und Lungenmassage versucht, aber es war zu spät.“ Der Mann hatte seinen Rucksack mit Reißnägeln sowie weiterem Sprengstoff gefüllt.
Wenige Minuten zuvor war nur 200 Meter entfernt an der Ecke Olof-Palme-Gatan zur Drottninggatan ein Auto explodiert. Die Drottninggatan ist vor allem an den Dezember-Wochenenden Stockholms meistbesuchte Einkaufsstraße. Die Menge flüchtete nach der Explosion in wilder Panik. Augenzeugen berichteten, dass sie in dem geparkten Auto mindestens eine Gasflasche gesehen hätten.
In ersten Kommentaren aus Stockholm wurde vermutet, dass sich der Attentäter wahrscheinlich erst auf der von Menschen wimmelnden Drottninggatan in die Luft sprengen wollte. „Wenn das gelungen wäre, hätte es ein furchtbares Massaker gegeben“, zitierte die Zeitung „Aftonbladet“ einen namentlich nicht genannten Behördensprecher.
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