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Ratzinger auf geheimer Mission

Ob und wie viel die EU und die Türkei miteinander zu tun haben wollen, ist dem Vatikan offiziell egal, da er sich nicht in die Tagespolitik einmischen will. Hinter den Kulissen sieht die Sache aber offenbar anders aus, wie die jüngsten Enthüllungen der Website WikiLeaks nahelegen.

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Joseph Ratzinger, damals einflussreicher Kardinal im Vatikan und seit 2005 Papst Benedikt XVI., soll laut dem britischen „Guardian“ jahrelang Politik gegen einen EU-Beitritt der Türkei gemacht haben: So habe sich Ratzinger im Jahr 2004 als Präfekt der Glaubenskongregation dagegen ausgesprochen, dass ein muslimischer Staat der Europäischen Union beitrete.

Offizielle und „persönliche“ Positionen

Offiziell verhielt sich der Vatikan in dieser Sache politisch neutral. Der Vatikan-Diplomat Monsignore Pietro Parolin, heute Nuntius in Venezuela, wertete Ratzingers Einstellung damals dementsprechend als „persönliche Aussagen“, die nicht der offiziellen Position es Vatikan entsprechen würden.

Die US-Diplomaten gingen davon aus, dass Ratzinger mit seinen Kommentaren einen Beitrag zur damals geführten Debatte um die Aufnahme eines „christlichen Gottesbezuges“ in die EU-Verfassung leisten wollte. Der „Guardian“ zitiert aus den Dokumenten einen US-Diplomaten, demzufolge es „für Ratzinger klar ist, dass es eine weitere Schwächung für die christlichen Wurzeln in Europa bedeuten würde, wenn ein muslimisches Land in die EU aufgenommen würde“.

„Offene Christenverfolgung“ als Gefahr in Türkei?

2006, als Parolin für den nunmehrigen Papst arbeitete, wurden dessen Aussagen vorsichtiger. „Weder der Papst noch der Vatikan haben eine türkische EU-Mitgliedschaft per se unterstützt“, zitiert der damalige US-Geschäftsträger den Vatikan-Diplomaten. „Der Heilige Stuhl war aber immer offen für einen Beitritt, mit der Betonung darauf, dass die Türkei die Kopenhagener Kriterien der EU erfüllen muss, um ihren Platz in Europa einnehmen zu können.“

Eine große Sorge sei laut Parolin, dass die Türkei der EU beitreten könnte, ohne notwendige Fortschritte bei der Religionsfreiheit gemacht zu haben. Die EU und die USA sollten demnach in dieser Hinsicht auf Ankara weiter Druck ausüben. In der Türkei stehe man kurz vor der „offenen Verfolgung“ der Christen, es könnte gar nicht mehr viel schlimmer für die Christen in dem Land werden, zitierte der US-Diplomat seinen vatikanischen Informanten.

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