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Hoch brisante Daten als Druckmittel

WikiLeaks-Gründer Julian Assange hat angeblich eine „Lebensversicherung“ besonderer Art abgeschlossen. Mehr als 100.000 seiner Unterstützer in aller Welt haben eine verschlüsselte Datei erhalten, bevor er sich am Dienstag in London den Behörden stellte.

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Laut Medienberichten ist „insurance.aes256“ 1,5 Gigabyte groß und enthält die kompletten 250.000 Dokumente des US-Außenministeriums, die die Enthüllungswebsite WikiLeaks in die Hände bekam. Ihre Veröffentlichung würde noch viel größere Erschütterungen auslösen als die wenigen bisherigen Enthüllungen mit zum Teil geschwärzten Namen und Orten, heißt es.

Unveröffentlichtes zu Guantanamo?

Dem Vernehmen nach enthält das Paket die Originalunterlagen ohne Auslassungen, darunter noch unveröffentlichte Dokumente zum US-Gefängnis Guantanamo. Auch explosive Papiere der Bank of Amerika sollen dabei sein. Die Datei ist mit einem 256-Bit-Code verschlüsselt - auch militärische Hochleistungscomputer können diesen Schutz nicht knacken.

Assange warnte seine Gegner vergangene Woche, dass WikiLeaks diese digitale Bombe notfalls hochgehen lässt. „Wenn uns etwas zustößt, werden die entscheidenden Teile (der US-Diplomaten-Akten) automatisch veröffentlicht“, drohte der 39-Jährige in einem Interview des „Guardian“ vergangene Woche. Dafür müsste nur der Schlüssel zu dem Code ins Netz gestellt werden.

Assange bleibt in Haft

Die Mitstreiter des 39-Jährigen hatten nach seiner Verhaftung am Dienstag jedenfalls eine noch aggressivere Veröffentlichungstaktik angekündigt. Assange selbst bleibt bis auf Weiteres in Haft. Ein Londoner Richter lehnte am Dienstag eine Freilassung auf Kaution ab. Er wurde dort wegen eines Haftbefehls aus Schweden festgesetzt. Ihm werden dort sexuelle Vergehen vorgeworfen: Er soll bei zwei Frauen ungeschützten Sex erzwungen haben.

Assange weist die Anschuldigungen zurück und spricht von einer gezielten Kampagne, hinter der die US-Regierung stehe. Assange soll nun am 14. Dezember erneut vor dem Gericht in London erscheinen. Wann genau über eine Auslieferung nach Schweden entschieden werden könnte, war zunächst nicht bekannt. Er werde sich dagegen wehren, kündigte Assange laut BBC an. Schweden könnte Assange auch in die USA ausliefern.

Für USA „gute Nachricht“

Die US-Reaktion auf Assanges Verhaftung fiel verhalten aus. Zwar sprach US-Verteidigungsminister Robert Gates von einer „guten Nachricht“, Washington hielt sich jedoch zunächst bedeckt, ob sie eine Auslieferung Assanges anstrebt. „Unsere Untersuchung läuft weiter. Darüber hinaus ist seine Festnahme zu diesem Zeitpunkt eine Angelegenheit Großbritanniens und Schwedens“, sagte der Sprecher des US-Außenministeriums, Philip Crowley.

Crowley betonte aber erneut, dass die USA die Veröffentlichung der mehr als 250.000 vertraulichen Diplomatendepeschen als Verbrechen einstufen. US-Präsident Barack Obama und andere US-Spitzenpolitiker hatten immer wieder erklärt, die Veröffentlichungen geheimer Protokolle über die Kriege im Irak und in Afghanistan sowie von Diplomaten-Depeschen gefährdeten Menschenleben und schadeten US-Interessen.

„Lassen uns nicht mundtot machen“

WikiLeaks gab sich kämpferisch. „Die heutige Aktion gegen unseren Chefredakteur Julian Assange wird unsere Arbeit nicht beeinträchtigen“, kündigten die Aktivisten über den Onlinedienst Twitter an. Trotz der Festnahme veröffentlichten sie weitere Geheimdokumente. „Wir lassen uns nicht mundtot machen, weder von juristischen Aktionen noch von Zensur durch Firmen“, betonte WikiLeaks-Sprecher Kristinn Hrafnsson. „Kopien der vollständigen Seiten liegen an über 500 Orten verteilt.“

In der Tageszeitung „The Australian“ verteidigte Assange die WikiLeaks-Enthüllungen. WikiLeaks sei wichtiger denn je, und Menschenleben seien mit der Veröffentlichung vertraulicher Dokumente nicht in Gefahr gebracht worden. Von seiner Regierung fühle sich der gebürtige Australier im Stich gelassen.

Druck auf WikiLeaks steigt

Die Enthüllungsplattform stellt seit gut einer Woche schrittweise Dokumente aus einer Sammlung von mehr als 250.000 vertraulichen Unterlagen des US-Außenministeriums ins Netz. Seither steigt der Druck auf WikiLeaks mit jedem Tag. Die Plattform verlor ihre Web-Adresse wikileaks.org, musste sich einen neuen IT-Dienstleister suchen, Finanzdienstleister wie PayPal, Mastercard und Visa wickeln keine Zahlungen mehr für sie ab.

Verhaltene Unterstützung aus Australien

Die australische Premierministerin Julia Gillard bezeichnet die Veröffentlichungen von WikiLeaks als unverantwortlich und illegal. Außenminister Kevin Rudd beteuerte aber, dass Assange in London alle konsularische Hilfe zu Teil werde. Rudd schob der US-Regierung Mitverantwortung für die Enthüllung Hunderttausender US-Geheimdokumente über Wikileaks zu.

„Der ordentliche Schutz vertraulicher Informationen durch die Regierungen selbst muss oberste Priorität haben“, sagte er in Brisbane. In den USA hätten offenbar „ein paar Millionen“ Menschen Zugang zu solchen Informationen. „Das ist vielleicht ein bisschen viel“, sagte Rudd.

Mittlerweile stellte sich heraus, dass Assange in einem Londoner Journalistenverein wochenlang Unterschlupf gefunden hatte. Er lebte offenbar zwei Monate beim Frontline Club im Zentrum Londons.

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