„Entscheidende Folgen für Sicherheit“
Die Enthüllungen von WikiLeaks gehen weiter. Am Montag stellte die Plattform eine geheime Liste wichtiger Einrichtungen online, die aus Sicht der USA vor Terrorangriffen geschützt werden müssen. Darunter befinden sich neben Einrichtungen und Firmen in zahlreichen Ländern auch Firmen mit Sitz in Österreich.
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Angriffe auf die in der Liste aufgeführten Orte und Infrastrukturen würden die Sicherheit der USA aus Sicht des US-Außenministeriums „in besonderem Maße“ gefährden, heißt es in einer entsprechenden Depesche. In einem Dokument des US-Außenministeriums von Februar 2009 werden die US-Botschaften weltweit aufgefordert, Orte und Infrastrukturen zu benennen, „deren Verlust entscheidende Folgen für die öffentliche Gesundheit, die wirtschaftliche Sicherheit und/oder die nationale und innere Sicherheit der USA bedeuten würde“.
Von Unterwasserkabel bis Rohstoffreserven
Die Liste enthält etwa Unterwasserkabel, Kommunikationseinrichtungen, Rohstoffreserven sowie strategisch wichtige Unternehmen in Ländern rund um den Globus. Auch Pharmafirmen, die Impfstoffe oder Blutpräparate herstellen, sind aufgelistet. In Europa befinden sich auch „schützenswerte“ Einrichtungen in Österreich.
So sind in der veröffentlichten Depesche für Österreich der Pharmagigant Baxter AG mit Sitz in Wien und Immune Globulin Intravenous (IGIV) Octapharma Pharmazeutika angeführt. Auch in Frankreich halten die USA die Pharmaindustrie für schützenswert. So befinden sich auf der Liste Sanofi-Aventis, EMD Pharms, GlaxoSmithKline und Genzyme Polyclonals in Lyon.
Weltgrößter Waffenproduzent BAE Systems
In Großbritannien werden von der US-Vertretung laut BBC Satellitenstationen und auch der größte Waffenproduzent der Welt, BAE Systems, als gefährdet eingeschätzt. Einige BAE-Systems-Werke arbeiten eng mit den USA zusammen. Eine Marinemaschinenbaufirma in Edinburgh wird als entscheidend für nuklearbetriebene Unterseeboote angesehen.
Als potenzielle Ziele für Terrorattacken werden laut BBC eine Kobaltmine im Kongo, eine australische Firma, die Anti-Schlangenbiss-Serum herstellt, und ein Insulinwerk in Dänemark angeführt. Die russische Erdgasstadt Nadym wird laut den Veröffentlichungen von den USA als schützenswert angesehen. Sie ist der Ausgangspunkt der laut USA weltweit wichtigsten Gaspipline für die Ergasversorgung in den Westen.
BASF und Siemens
Laut dem veröffentlichten Dokument ist das deutsche BASF-Stammwerk in Ludwigshafen als „weltgrößter zusammenhängender Chemiekomplex“ von Bedeutung für die nationale Sicherheit der USA. Ferner werden Firmen wie Siemens als wichtiger Hersteller von Transformatoren und Turbinen zur Stromgewinnung aus Wasserkraft, die Lübecker Drägerwerk AG (Gasmesstechnik), Junghans Feinwerktechnik im baden-württembergischen Schramberg („entscheidend bei der Herstellung von Minenwerfern“) sowie diverse pharmazeutische Unternehmen in Deutschland genannt.
Für Terroristen von Nutzen?
Nach Ansicht der BBC wird durch das Dokument erstmals deutlich, wie weit die US-Regierung die Bedeutung ausländischer Objekte und Einrichtungen für die eigene Sicherheit interpretiert. Die kritische Frage stellte allerdings laut BBC die britische Tageszeitung „Times“: Ist die Liste wirklich für Terroristen von Nutzen? Die Depesche besteht aus einer einfachen Auflistung. In vielen Fällen sind die Städte, in denen sich die Firmen befinden genannt, nicht allerdings deren Adressen. Und auch welche Sicherheitsmaßnahmen bestehen, ist nicht aufgelistet.
Auch stellt sich laut BBC die Frage, welchen Zweck WikiLeaks mit der Veröffentlichung der Liste verfolgt. In Großbritannien sieht man das skeptisch. WikiLeaks habe mit der Veröffentlichung erneut Unverantwortlichkeit bewiesen, heißt es aus dem britischen Außenministerium. WikiLeaks-Anwalt Mark Stephens verneinte gegenüber der BBC, dass damit Menschen in Gefahr gebracht würden. „Ich glaube nicht, dass in der Liste etwas Neues steht“, so Stephens. Die Liste sorge für Aufregung, weil sie von WikiLeaks veröffentlicht wurde, und eine Reihe von Regierungen fühle sich bereits wegen anderer WikiLeaks-Veröffentlichungen vor den Kopf gestoßen.
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