28 Prozent können unzureichend lesen
Minus 20 Punkte im Haupttestgebiet Lesen gegenüber der PISA-Studie 2006: Mit diesem Ergebnis verzeichnete Österreich bei der neuen, am Dienstag präsentierten Studie 2009 einen veritablen Absturz - der allerdings laut OECD „mit Vorbehalt“ zu beurteilen ist.
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Die Daten entsprächen zwar den technischen Standards der OECD, man könne aber nicht ausschließen, dass ein Boykottaufruf während der ersten Testwoche die Schüler demotiviert bzw. die Rahmenbedingungen verschlechtert haben könnte.
Schon bisher unter OECD-Schnitt
Bei den vergangenen PISA-Studien erreichten die österreichischen Schüler beim Lesen jeweils in etwa gleich viele Punkte (2000: 492, 2003: 491, 2006: 490). Damit lag Österreich bisher immer signifikant unter dem OECD-Schnitt, 2009 finden sich von den OECD-Ländern nur noch die Türkei, Chile und Mexiko hinter Österreich - wobei der OECD-Schnitt selbst zwischen 2000 und 2009 aufgrund der Aufnahme neuer Länder von 500 auf 493 Punkte gesunken ist.

APA/Rainer Waxmann
In der Mathematik dürften die österreichischen Schüler - nach OECD-Lesart - motivierter gewesen sein. Hier erreichte man in der aktuellen Studie 496 Punkte und damit genau den OECD-Schnitt (Platz 18). Das entspricht einem Minus von neun Punkten gegenüber 2006, wobei auch hier der OECD-Schnitt zwischen 2006 und 2009 um zwei Punkte gesunken ist. 2003 erreichte Österreich in Mathematik 506 Punkte, 2000 waren es 503.
Schwankungen bei Naturwissenschaften
In den Naturwissenschaften kamen die österreichischen Schüler auf 494 Punkte und damit 17 weniger als 2006. Damit verschlechterten sie sich von einem Ergebnis, das signifikant über dem OECD-Schnitt lag, auf eines signifikant darunter (OECD-Schnitt 2009: 501). Auffällig: Das Naturwissenschaftsergebnis war schon immer stark schwankend: 2000 erreichten die österreichischen Schüler 505 Punkte, 2003 491 und 2006 511 Punkte. In den Naturwissenschaften sind die 494 Punkte damit kein Tiefstwert.
Dramatisch viele „Risikoschüler“
Besonders dramatisch ist die Entwicklung bei den „Risikoschülern“: 2009 konnten 28 Prozent aller Getesteten gegen Ende ihrer Pflichtschulzeit nur unzureichend sinnerfassend lesen - 2006 war dieser Anteil erst bei 21,5 Prozent gelegen.
Unter den Burschen gibt es mit 35 Prozent sogar noch mehr „Risikoschüler“, bei den Mädchen sind es 20 Prozent. Mit 15 Prozent „besorgniserregend“ hoch ist laut Günter Haider, Direktor des für die Österreich-Tests zuständigen Bundesinstituts für Bildungsforschung (BIFIE), auch der Anteil an Schülern, die in allen drei PISA-Kompetenzbereichen (Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften) Risikoschüler sind. 2006 waren es erst zehn Prozent gewesen. „Da hat die Schule in allen grundlegenden Kulturtechniken die Mindeststandards nicht vermittelt“, so Haider zur APA.
Schulaussteiger müssten mitgerechnet werden
Bei den Schülern mit massiven Problemen müsste man laut Haider eigentlich zusätzlich noch einen Teil der „Out of School“-Population berücksichtigen, also jener sechs Prozent pro Jahrgang, die ihre Schulpflicht zum Testzeitpunkt bereits abgeschlossen und das Bildungssystem verlassen haben - und damit nicht erfasst wurden. „Die Gruppe der Risikoschüler im Lesen liegt dann eher bei 30 Prozent und mehr als darunter“, so Haider.
Südkorea und Finnland voran
Im OECD-Schnitt gehören 2009 nur 19 Prozent der Schüler zur Leserisikogruppe, in Südkorea und Finnland, den beiden Ländern mit den besten Leseergebnissen, sind es sechs bzw. acht Prozent.
Die diesjährigen Daten sind laut OECD allerdings wegen der „negativen Atmosphäre während der Testphase“ im Mai 2009, als der Streit über eine höhere Unterrichtsverpflichtung seinen Höhepunkt erreichte, nicht mit früheren Ergebnissen vergleichbar.
Ein Drittel hat Defizit in einem Bereich
In der Mathematik haben 23 Prozent der österreichischen Jugendlichen sehr geringe Kompetenzen; das entspricht zwar genau dem OECD-Schnitt, liegt aber weit über dem Anteil von Südkorea und Finnland (je acht Prozent). Auch in Österreich selbst gab es 2006 etwas weniger „Risikoschüler“ in Mathematik (20 Prozent).
In den Naturwissenschaften laufen 21 Prozent der österreichischen Schüler Gefahr, den Anschluss zu verpassen, und damit nur unwesentlich mehr als im OECD-Schnitt (18 Prozent). In Finnland und Südkorea sind es hingegen nur je sechs Prozent „Risikoschüler“, laut BIFIE ist dieser geringe Anteil „ein entscheidender Faktor“ für deren gutes Abschneiden.
Insgesamt hat mehr als ein Drittel der Schüler (34 Prozent) in Österreich in zumindest einem Kompetenzbereich starke Defizite, acht Prozent haben in zwei Bereichen nicht einmal Basiskenntnisse, 15 Prozent in allen drei. In Finnland ist jeder achte 15- bzw. 16-Jährige in zumindest einem Bereich Risikoschüler, je drei Prozent in zwei bzw. drei.
Mädchen häufiger im Spitzenfeld
Umgekehrt landen beim Lesen in Österreich fünf Prozent in der Spitzengruppe (OECD: sieben Prozent), davon sind zwei Drittel Mädchen. Besonders viele Spitzenleser gibt es in Neuseeland (16 Prozent) und Finnland (15 Prozent). 13 Prozent der österreichischen Schüler landen in Mathematik in der Spitzengruppe, in den PISA-Spitzenländern sind es über 20 Prozent. Ähnlich groß ist der Abstand in der Naturwissenschaften-Spitzengruppe zwischen Österreich mit acht Prozent und den Topländern Finnland (19 Prozent), Neuseeland (18 Prozent) und Japan (17 Prozent).
Das Ausmaß des Rückgangs der Schülerleistungen umreißt Haider mit einem Beispiel: Gehe man von insgesamt 60 Leseaufgaben aus, bedeute ein Rückgang um 20 Punkte in etwa, dass im Schnitt statt 40 nur noch 37 Fragen richtig gelöst werden. In Schuljahren lasse sich der Rückgang gerade beim Lesen nicht gut messen, weil im Testalter kaum noch Lesekompetenz erworben werde. Der zwischen 2000 und 2009 gestiegene Migrantenanteil (von elf auf 15 Prozent) könne das Sinken auch nur teilweise erklären und mache „höchstens drei Punkte“ aus, so BIFIE-Expertin Claudia Schreiner.
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