„Endzeit“ für Meinungsfreiheit
Die US-Regierung sperrt ihren Beamten den Zugang zur Enthüllungswebsite WikiLeaks. Das Weiße Haus wies Ministerien und Bundesbehörden am Freitag (Ortszeit) an, den Aufruf des Internetportals von Regierungscomputern zu verhindern. Die jüngste Veröffentlichung von vertraulichen und geheimen Dokumenten des US-Außenministeriums habe der nationalen Sicherheit Schaden zugefügt.
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Trotz der Veröffentlichung auf WikiLeaks seien die betroffenen Schriftstücke weiter nicht für den öffentlichen Zugang bestimmt und müssten deshalb entsprechend geschützt werden, erklärte die Abteilung für Management und Budget (OMB) des Weißen Hauses.
Regierung sieht keine Zensur
Umgesetzt wurde die Sperre auch von der Bibliothek des US-Kongresses. Kommunikationschef Matt Raymond wies am Freitag Vorwürfe zurück, die Library of Congress betreibe damit Zensur. Die Bibliothek sei wie andere Bundeseinrichtungen zum Schutz von Regierungsdokumenten verpflichtet, schrieb Raymond in einem Internetblog der Bibliothek.
Die Verbreitung der US-Dokumente durch WikiLeaks sei illegal. WikiLeaks kritisierte die Sperre auf dem Kurzmitteilungsdienst Twitter als „Endzeit“ für die im ersten Zusatz zur US-Verfassung garantierte Meinungsfreiheit.
Katz-und-Maus-Spiel
Unteressen geht das Katz-und-Maus-Spiel um die Sperrung der WikiLeaks-Website weiter: Eine amerikanische Internetfirma löschte am Freitag auch die Schweizer Website mit den WikiLeaks-Dokumenten aus ihrer Datenbank und machte damit den Zugang unmöglich. Zuvor hatte der Domain-Name-Provider EveryDNS auch schon Wikileaks.org als Hauptadresse der Enthüllungsplattform entfernt.
Die Adresse Wikileaks.ch war Freitagabend nicht mehr erreichbar. Eine Onlinerecherche (Nameserver-Lookup) ergab, dass der Nameserver diese Adresse nicht mehr kennt. Die Schweizer Piratenpartei hatte wikileaks.ch bereits vor mehreren Monaten angemeldet - bei der Firma EveryDNS, die ihren Sitz in den USA hat. Am Samstag war die Adresse nach der Übertragung der Inhalte auf neue Server allerdings wieder zugänglich. WikiLeaks hatte am Freitag über Twitter mitgeteilt, dass man nun in Schweiz „übersiedelt“ sei.
„Sollte nicht passieren“
EveryDNS begründete die Entscheidung zur Löschung von Wikileaks.org mit „massiven“ Hackerangriffen auf diese Adresse. Nach Angaben von Internetexperten dürften solche Denial-of-Service-Attacken allerdings kein Grund sein, um eine Domain zu löschen.
„Wegen Denial-of-Service-Attacken nehme ich normalerweise keine Domain runter“, sagte der Karlsruher Professor und Internetpionier Michael Rotert im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. „Das ist eine Maßnahme, die sollte nicht passieren und schon gar nicht auf Druck von Behörden, es sei denn, es liegt eine schwere Straftat vor.“
WikiLeaks nach wie vor online
Zuvor hatte der US-Anbieter Amazon die Seite von seinen Servern genommen. Das Unternehmen trat danach Berichten entgegen, das auf Druck der Behörden getan zu haben. Vielmehr habe WikiLeaks die Nutzungsbedingungen missachtet, so Amazon. In einer Mitteilung auf Twitter warf WikiLeaks Amazon daraufhin vor, zu „lügen“ und „feige“ zu sein.
Die Inhalte von WikiLeaks sind trotz der Probleme nach wie vor unter anderen Adressen zu erreichen. Dazu gehören neben der direkten IP-Adresse 213.251.145.96 auch mehrere Webanbieter, die die Daten auf ihrem eigenen Server „spiegeln“.
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