WikiLeaks sucht neue Heimat für Server
Die Enthüllungsplattform WikiLeaks gerät in den USA immer stärker unter Beschuss. Die Internetaktivisten verloren den Zugang zu ihrem bisherigen US-Server und suchen jetzt eine Heimat in Europa. WikiLeaks-Gründer Julian Assange, der auf den Fahndungslisten von Interpol steht, soll sich nach einem Zeitungsbericht in Großbritannien aufhalten.
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Assange, der wegen Vergewaltigungsverdachts von den Behörden in Schweden gesucht wird, steht auf der Fahndungsliste von Interpol. Nach einem Bericht des britischen „Independent“ hält sich der 39-jährige Australier in Großbritannien auf, der genaue Ort sei Scotland Yard bekannt. Assange halte sich im Lande bedeckt, schreibt das Blatt in seiner Onlineausgabe, „während seine Feinde sein Blut fordern“.
Inkorrekter Haftbefehl verhinderte Festnahme
Der Haftbefehl gegen Assange bleibt aufrecht. Der Oberste Gerichtshof in Stockholm wies am Donnerstag die Berufung Assanges ab. Damit ist der Haftbefehl definitiv.
Assange ist einem Zeitungsbericht zufolge nur wegen eines inkorrekten Haftbefehls einer Festnahme in Großbritannien entgangen. Die britische Polizei habe gewusst, wo sich der Australier aufhalte, berichtete die „Times“ am Donnerstag. Die Beamten hätten aber nicht zugreifen können, weil der von den schwedischen Behörden ausgefüllte Haftbefehl nicht korrekt gewesen sei. „Es ist kein ordentlicher Haftbefehl, wir können auf seiner Grundlage nicht handeln“, zitierte die Zeitung aus Polizeikreisen.
Sprecherin: Assange fürchtet um sein Leben
Dem Bericht zufolge wird Assange im Südosten Englands vermutet. Sein Anwalt Mark Stephens sagte der „Times“, die Behörden wüssten den genauen Aufenthaltsort. Scotland Yard wollte den Bericht nicht kommentieren. Man äußere sich nicht zu Behauptungen über Auslieferungsfälle, wenn der Betroffenen noch nicht vor Gericht stehe, sagte ein Sprecher.
Der Internetaktivist hat die Ermittlungen in Schweden stets als Intrige seiner Gegner bezeichnet. Eine Sprecherin sagte, Assange müsse um sein Leben fürchten. Es habe Drohungen von Regierungen und Kommentatoren gegeben. „Es gab sogar Rufe nach einer Ermordung von Julian Assange“, sagte Kvristinn Hrafnsson in London.
Schlagabtausch mit Weißem Haus
Zwischen dem Weißen Haus und Assange entbrannte unterdessen ein heftiger Schlagabtausch. Der Sprecher von US- Präsident Barack Obama, Robert Gibbs, nannte es „lächerlich und absurd“, dass Assange den Rücktritt von Außenministerin Hillary Clinton gefordert hatte, falls sie für jüngst bekanntgewordene Spionageaufforderungen an Diplomaten verantwortlich ist. „Ich bin nicht ganz sicher, warum wir uns um die Meinung eines Typen mit einer Website kümmern“, so Gibbs. „Unsere Außenpolitik und die Interessen dieses Landes sind weit bedeutsamer als eine Website.“
Streit mit Amazon
Unterdessen sucht die Enthüllungsplattform eine neue Heimat für ihre Server. „WikiLeaks von Amazon-Server verdrängt. Freie Rede im Land der Freien“, teilten die Enthüllungsaktivisten per Kurznachrichtendienst Twitter am Mittwoch (Ortszeit) mit. Kurz zuvor hatte das US-Internetunternehmen Amazon die WikiLeaks-Dokumente von seinen Servern verbannt.
Der Onlinehändler Amazon bietet Unternehmen auch das Website-Hosting als Dienstleistung an. Die Amazon-Server gelten als besser geschützt als jene von WikiLeaks.
Die Internetaktivisten hatten bei der Veröffentlichung der geheimen diplomatischen US-Depeschen auf Amazon Web Service (AWS) zurückgegriffen, um die hohen Zugriffszahlen auf die Dokumente bewältigen zu können. Per Twitter erklärte WikiLeaks zu dem Schritt weiter: „Prima - unsere Dollars werden nun ausgegeben, um Leute in Europa zu beschäftigen.“ Wenn Amazon solche Problem mit der Redefreiheit habe, „sollten sie aufhören, Bücher zu verkaufen“.
Senator drohte Amazon mit Boykott
Amazon habe die Nutzung seiner Server durch WikiLeaks gestoppt, nachdem Mitarbeiter von US-Senator Joseph Lieberman Nachforschungen angestellt hätten, berichtete der US-Fernsehsender CNN unter Berufung auf das Büro Liebermans. Der Vorsitzende des Senatsausschusses für Heimatschutz hatte Amazon mit einem Boykott gedroht, berichtete der britische „Guardian“. „Ich hätte mir gewünscht, dass Amazon diese Maßnahme früher ergreift angesichts der vorherigen Veröffentlichungen klassifizierter Informationen durch WikiLeaks“, sagte der Senator.
Lieberman rief indes dazu auf, der Plattform auch in anderen Länder die Nutzung von Servern zu verwehren. „WikiLeaks’ illegales, ungeheuerliches und rücksichtsloses Vorgehen setzt unsere nationale Sicherheit aufs Spiel und gefährdet rund um den Globus Leben“, hießt es in einer Mitteilung des parteilosen Senators. „Kein verantwortungsbewusstes Unternehmen - ob amerikanisch oder ausländisch - sollte WikiLeaks bei seinen Bemühungen helfen, gestohlenes Material zu verbreiten.“
US-Behörden wollen Sicherheit verbessern
Die US-Regierung stellt nun den Schutz ihrer Datenbanken umfassend auf den Prüfstand. Als Sonderbeauftragter sei der Vizedirektor des Zentrums für Anti-Terror-Maßnahmen, Russell Travers, ernannt worden, teilte das Weiße Haus mit. Travers sei dafür verantwortlich, „notwendige Strukturreformen“ zu entwickeln, die nach der Offenlegung der US-Botschaftsberichte durch WikiLeaks nötig geworden seien. Das Weiße Haus will auch die Wege überprüfen lassen, wie die gesamte Regierung Informationen austauscht und schützt.
Die US-Regierung kündigte zudem an, für die Sicherheit von Informanten und Aktivsten sorgen zu wollen, sollten sie durch die WikiLeaks-Veröffentlichung in Gefahr geraten. „Wir haben alles unternommen, mit ihnen in Kontakt zu treten“, sagte US-Außenamtssprecher Philip Crowley. „Wir stehen bereit, sie zu beschützen, wenn das notwendig werden sollte.“
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