In 188 Staaten gesucht
Der Gründer der umstrittenen Internetplattform WikiLeaks, Julian Assange, ist zur internationalen Fahndung ausgeschrieben worden. Der Australier werde wegen der gegen ihn in Schweden erhobenen Vergewaltigungsvorwürfe gesucht, teilte Interpol in der Nacht auf Mittwoch im französischen Lyon mit.
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Ein Gericht in Stockholm hatte kürzlich einen Haftbefehl gegen den 39-Jährigen wegen Vergewaltigung und sexueller Belästigung von zwei Frauen ausgestellt. Die Ermittlungsleiterin bei der schwedischen Staatsanwaltschaft, Marianne Ny, hatte ihren Antrag damit begründet, dass Assange zu den Vorwürfen befragt werden müsse. Der Australier hatte die Vorwürfe stets zurückgewiesen und von einer Schmutzkampagne gegen ihn und WikiLeaks gesprochen. Wenige Stunden vor Verkündung der internationalen Suche durch Interpol hatte sein Anwalt in Schweden ein Berufungsgericht angerufen und die Aufhebung des schwedischen Haftbefehls beantragt.
Roter Vermerk für Anfrage aus Schweden
Nach Angaben eines Interpol-Sprechers stellte Schweden am 20. November den Antrag auf internationale Fahndung. Diesem sei nun stattgegeben worden, indem die Anfrage aus Stockholm einen roten Vermerk („Red Notice“) bekam. Damit werden alle 188 Interpol-Staaten aufgefordert, bei der Suche nach dem Verdächtigen zu helfen.
Zurzeit gibt es nach Angaben von Interpol-Sprecherin Rachel Billington etwa 20.000 dieser „Red Notices“. Assange steht ebenso darauf wie der wegen eines ähnlichen Delikts von den USA gesuchte Regisseur Roman Polanski. Ausdrücklich betonte daher Interpol am Mittwoch in einer Erklärung: „Interpol kann kein Mitgliedsland auffordern, einen per Red Notice Gesuchten festzunehmen. Jedes gesuchte Individuum sollte bis zur Verurteilung als unschuldig angesehen werden.“
Wo sich Assange derzeit aufhält, ist unklar. Der 39-Jährige ist seit geraumer Zeit untergetaucht. Am Dienstag gab er zwar dem US-Magazin „Time“ ein Interview, in dem er US-Außenministerin Hillary Clinton zum Rücktritt aufforderte, falls sie US-Diplomaten im Ausland zur Spionage angestiftet habe. Dieses Interview gab der Australier aber über den Internettelefondienst Skype von einem unbekannten Ort aus.
Eine der „meistgesuchten Personen der Welt“
Der schwedische Anwalt von Assange, Björn Hurtig, bezeichnete die weltweite Fahndung nach seinem Klienten angesichts der ihm vorgeworfenen Delikte als „extrem ungewöhnlich“. „Es ist höchst verwunderlich, dass Interpol für etwas so extreme Schritte ergreift, was das schwedische Berufungsgericht als Vergewaltigungsdelikt geringerer Art einstuft“, zitierte die schwedische Nachrichtenagentur TT den Anwalt.
Die Maßnahme erscheine daher geradezu als lächerlich. Hurtig wunderte sich auch darüber, dass Ny das Angebot Assanges, sich via Videolink oder in einer schwedischen Botschaft im Ausland einvernehmen zu lassen, ausgeschlagen hatte. „Es muss etwas anderes hinter dieser Sache stecken.“
Kein Asyl in Ecuador
Am Montag hatte Ecuador Assange Asyl angeboten, davon rückte Präsident Rafael Correa nun aber ab. Eine solche Einladung gebe es nicht, sagte der Staatschef in der Küstenstadt Guayaquil. „Es gibt kein formales Angebot für den Chef von WikiLeaks.“ Dagegen hatte Vizeaußenminister Kintto Lucas am Montag gesagt: „Wir sind bereit, ihm ein Aufenthaltsrecht in Ecuador anzubieten, ohne Probleme und ohne Bedingungen.“ Das sei eine persönliche Ansicht von Lucas gewesen, stellte Correa nun klar.
WikiLeaks hatte am Sonntag mehr als 250.000 teilweise brisante Dokumente von US-Diplomaten in aller Welt veröffentlicht. Zuvor war Assange bereits durch die Veröffentlichung Zehntausender Geheimdokumente zu den US-Einsätzen in Afghanistan und im Irak weltbekannt geworden. Der 39-Jährige hatte mehrfach den Verdacht geäußert, dass Geheimdienste mit allen Mitteln seine Reputation beschädigen und ihn zu Fall bringen wollten.
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