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Spekulationen statt Fakten

Die von WikiLeaks veröffentlichten Depeschen amerikanischer Diplomaten enthüllen laut einem Bericht der „New York Times“, wie wenig die USA wohl über Vorgänge innerhalb Nordkoreas wissen. Das mache anschaulich, weshalb man Nordkorea „das Schwarze Loch Asiens nennt“.

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So hätten sich südkoreanische und US-Diplomaten über konkrete Strategien nach einem Zusammenbruch des Regimes beraten, meldete die Zeitung am Montag online. Die jüngsten militärischen Störmanöver Pjöngjangs hätten sie aber allem Anschein nach nicht vorausgesehen. Die Botschaftsmeldungen über Nordkorea - manche von ihnen aus Südkorea, manche aus Peking - „sind voller fundierter Vermutungen, aber arm an Fakten“, schreibt die Zeitung.

Planspiele für Zeit nach Kim

Eine der Depeschen schildere, wie ein hoher Diplomat des Südens Ende Februar US-Botschafterin Kathleen Stephens gegenüber die Erwartung äußert, das Regime könnte „zwei bis drei Jahre“ nach dem Tode von Machthaber Kim Jong Il kollabieren. Um Pekings Widerstand gegen eine Kontrolle Seouls über die gesamte koreanische Halbinsel zu brechen, plane man bereits, chinesische Firmen auf die vielfältigen Geschäftsmöglichkeiten in Norden hinzuweisen, heißt es dort.

Einen Monat nach dem Gespräch versenkt dann ein - mutmaßlich nordkoreanischer - Torpedo ein südkoreanisches Kriegsschiff und stürzt die Region in eine neue Krise. Erst vorige Woche geht dann ein Hagel nordkoreanischer Granaten auf den Nachbarn im Süden nieder. „Nichts von all dem steht in den Dutzenden von Korrespondenzen des Außenministeriums, die im Besitz von WikiLeaks sind“, so das Blatt.

„Lockere Gespräche“

Stattdessen enthielten die Depeschen „lockere Gespräche und zuversichtliche Voraussagen über das Ende der Familiendynastie, die Nordkorea seit 65 Jahren regiert“, schreibt die Zeitung weiter. Diese Debatten seien befeuert worden von einer ganzen Reihe Überläufer aus dem diplomatischen Dienst Nordkoreas, deren Existenz bisher unbekannt gewesen sei, berichtet die „New York Times“.

Risse zwischen Peking und Pjöngjang

Allerdings legten Dokumente Risse im Verhältnis zwischen den Verbündeten China und Nordkorea offen. Chinesische Regierungsvertreter zeigten sich demnach frustriert über das Regime in Pjöngjang. Spekuliert wird in den diplomatischen Depeschen auch, Peking könne ein wiedervereinigtes Korea unter Führung Südkoreas akzeptieren, solange sich Seoul nicht aggressiv verhalte.

Peking reagierte zurückhaltend auf die Veröffentlichungen und nahm sie zur Kenntnis. Die Offenlegung der Äußerungen von chinesischer Seite werden in Nordkorea für Aufsehen sorgen, vermutet hingegen der Nordkorea-Experte der deutschen Friedrich-Naumann-Stiftung, Walter Klitz, gegenüber der dpa. Die Enthüllungen hätten einen „Scherbenhaufen“ angerichtet: „Es dient nicht dem Annäherungsprozess zwischen Süd- und Nordkorea. Es könnte jetzt passieren, dass Pjöngjang sagt: ‚Wir haben kein Interesse mehr an Gesprächen.‘“

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