Die Probleme mit den Liebeshochzeiten
Es ist Hochzeitssaison in Indien: Polizisten arbeiten im Hochbetrieb, um das Verkehrschaos auf den Straßen - verursacht durch Lametta-behangene Pferdekutschen - zu regulieren. Musikbands sind ausgebucht. Und auch eine weitere Berufssparte hat alle Hände voll zu tun: Privatdetektive.
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Privatdetektive erleben in Indien derzeit einen wahren Boom, berichtet die britische Tageszeitung „Guardian“. Immer weniger junge Inder schließen arrangierte Ehen. Der Trend geht vielmehr zu Liebesheiraten. Konnten sich besorgte Eltern früher noch auf Familienkontakte verlassen, die die Hochzeiten in die Wege leiteten, treffen sich immer mehr künftige Brautpaare mittlerweile im Büro, in der U-Bahn und in Chatforen im Internet.
Lukratives Geschäft mit „Background-Checks“
Um dennoch über die Herkunft und die Redlichkeit des potenziellen Schwiegersohns und der potenziellen Schwiegertochter Bescheid zu wissen, engagieren immer mehr Eltern Privatdetektive. Sie zahlen bis zu mehrere Tausend Pfund für einen kompletten „Background-Check“, bevor sie in die Liebesheirat einwilligen, berichtet die Zeitung. Das Phänomen ist freilich vorwiegend beschränkt auf die obere Mittelschicht, die zwischen fest verwurzelten Traditionen und der schnelllebigen Welt des modernen Indiens lebt.
„Es ist stressig, immer stressig“, so Sanjay Kapoor gegenüber der britischen Tageszeitung „Guardian“. Er ist der Leiter der Detektei Ascon Agency. „Es ist mittlerweile die Hälfte unseres Geschäfts“, so Kapoor. „Ich erhalte 20 Anrufe pro Tag wegen vorehelicher Untersuchungen.“
Kastensystem noch immer präsent
Ein Punkt, der für die Nachforschungen besondere Relevanz hat, ist die Angabe über die Kaste. Obwohl diese uralte Hierarchie offiziell längst abgeschafft ist, sind viele Eltern noch immer nicht bereit, ihre Kinder an jemanden aus einer niedrigeren Kaste zu verheiraten. Geschwindelt wird demnach auch manchmal bei der Gesundheit des künftigen Ehepartners.
Schwerer Tabubruch
Hunderte junge Inder im Norden des Landes werden jährlich von Familienangehörigen ermordet, weil sie Kastentabus durch Hochzeiten brachen.
Ein Bauunternehmer aus Delhi sagte gegenüber dem „Guardian“, er habe die Hochzeit seiner Tochter abgesagt, da ein Detektiv herausfand, dass der Bräutigam bei den Angaben zu seiner Kaste übertrieben hatte. „Da geht es nicht um Snobismus“, so der 54-Jährige. „Es geht darum, eine geeignete Person mit denselben Interessen, Werten und Hintergrund zu finden.“ Seine Tochter wertete diese Entscheidung als die beste: „Wenn jemand bereit ist, über grundlegende Dinge noch vor der Hochzeit zu lügen, was wird dann erst danach geschehen?“
Viele Aufträge betreffen junge Inder, die einen potenziellen Partner während eines Auslandsaufenthalts, oft in Großbritannien, oder in Chats kennengelernt haben, so Bhavna Paliwal, Direktor der Tejas Detective Agency in Delhi. „Es gibt einen Trend, wonach junge Mädchen in Indien mit indischstämmigen Burschen chatten, die im Ausland leben“, so Paliwal.
Früher spionierten Priester
Die Aufgabe der Privatdetektive erfüllten lange Zeit Priester. Ein Priester sagte gegenüber der britischen Zeitung, dass er die Herkunft künftiger Ehegatten untersucht hatte, „wenn die Familie gefragt hat“. Die Informationen habe er durch Gespräche mit Nachbarn und lokalen Geschäftsbesitzern eingeholt. „Manchmal habe ich herausgefunden, dass sie gelogen haben. Es ist selten, aber es passiert. Heutzutage, wo sich Jugendliche in Büros, Colleges, Kaffeehäusern und so treffen, ist es wirklich kompliziert“, so der Geistliche.
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