Runder Tisch gefordert
Elternvertreter, Sozialpartner und Bildungsexperten haben am Montag vor den Folgen einer von der ÖVP geforderten Verländerung der Schulverwaltung gewarnt und von der Regierung einen runden Tisch zur Bildungspolitik in der zweiten Jänner-Hälfte eingefordert.
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Trotz der „Machtspiele“ der Koalitionspartner in der Schulpolitik sehen die Vertreter der „Allianz der Bildungsreformer“, wie Bildungsexperte Gerhard Riemer von der Industriellenvereinigung (IV) sie nannte, noch Chancen für eine Schulreform. Der „Hilferuf nach einer Reform“ sei mittlerweile sehr laut geworden: „Ich glaube nicht, dass die Politik umhinkann, das zu hören“, so Riemer bei einer Pressekonferenz.
Teuer mit großen Schwächen
Derzeit, beklagte Stefan Mandahus, Präsident des Hauptverbandes katholischer Elternvereine, laufe Österreichs Schulsystem nach dem Motto „Viel gelernt und nichts verstanden“, das sei ein Armutszeugnis für das österreichische Schulwesen. Auch Wirtschaftskammer-Bildungsexperte Michael Landertshammer wies auf große Schwächen hin: Obwohl Österreich eines der teuersten Schulsysteme habe, sei der Output „bestenfalls Mittelklasse“.
Laut OECD-Studien könnten 20 Prozent der Pflichtschulabsolventen nicht sinnerfassend lesen, Unternehmer würden bei Bewerbern für Lehrstellen über Mängel bei Mathematik- und Deutschkenntnissen und sozialen Kompetenzen klagen. „So wie’s jetzt läuft“, betonte Riemer, „werden wir weiter an Terrain verlieren und nicht aufholen.“
Kritik an ÖVP-Vorstoß
Die Initiative der ÖVP, den Ländern mehr Macht in Schulfragen einzuräumen, würde unterdessen zu einer weiteren „Verschlechterung der Situation“ führen, warnte Theodor Saverschel, Präsident des Bundesverbandes der Elternvereine an mittleren und höheren Schulen.
Markus Heingärtner vom Management Club kritisierte nicht nur den schon derzeit herrschenden „Länderzentralismus“, bei dem St. Pölten so tue, als wisse es, welche Lehrer in Laa an der Thaya gebraucht würden. In Anlehnung an einen Spruch von Ex-Finanzminister Rudolf Edlinger (SPÖ) meinte er sogar, den Ländern die Lehrer zu übergeben sei dasselbe, wie einen Hund auf die Wurst aufpassen zu lassen.
„Kein sachliches Argument“
Bildungsforscher Lorenz Lassnigg vom IHS verglich die derzeitige Schulverwaltung, bei der der Bund für alle Lehrer zahlt, die Länder aber bei den Landeslehrern die Ausgaben selbst bestimmen, mit einem Kind, das von den Eltern Taschengeld bekommt. Eine Verländerung würde bedeuten, dieses System auf alle Bereiche auszuweiten - „dabei gibt es kein einziges ernsthaftes Argument, das sachlich für eine Verländerung sprechen würde“.
Werner Specht von Bundesinstitut für Bildungsforschung (BIFIE) sieht in den Verländerungsplänen den Versuch, die geplante Gesamtreform von Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) mit Qualitätssicherung, neuer Lehrerausbildung, neuem Dienstrecht und dem Modell der Neuen Mittelschule (NMS) zu verhindern oder zumindest zu verwässern. „Ich sehe alle Tendenzen als gefährlich an, die zu einer Zersplitterung des Schulwesens führen.“
Schon derzeit gebe es große Ungleichheiten unter den Bundesländern. Während etwa in der Steiermark und Oberösterreich bis zu 90 Prozent der Schüler mit sonderpädagogischen Förderbedarf in Regelschulklassen integriert seien, seien es nur etwa 30 Prozent in Vorarlberg und Niederösterreich. „Die Unterschiede würden dann noch größer.“
Ziele definiert
Weitgehende Einigkeit herrschte unter den Anwesenden darüber, was eine sinnvolle Schulreform umfassen müsse: die Definition strategischer Bildungsziele und deren Überprüfung, eine schlanke Schulverwaltung, stärkere Schulautonomie und nicht zuletzt eine einheitliche, klare Kompetenz für das Bildungswesen beim Bund.
Auch die Arbeiterkammer (AK) sprach sich gegen eine Verländerung aus: „Wir brauchen eine neue, einheitliche Schule für ganz Österreich, die alle Kinder gleich gut fördert - nicht zwei, drei oder sogar neun unterschiedliche Ausprägungen derselben Schultypen je nach Wohnort der Kinder“, hieß es in einer Aussendung.
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