Kehrtwende in Dublin
Nachdem sich das angeschlagene Irland tagelang vehement gegen die Beantragung von EU-Hilfsgeldern gesträubt hatte, hat das irische Kabinett am Sonntag doch grünes Licht dafür gegeben. Bereits vor einer Sondersitzung der irischen Regierung in Dublin kündigte Finanzminister Brian Lenihan an, dass Irland um internationale Hilfe ansuchen werde.
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Irlands Ministerpräsident Brian Cowen bestätigte am Abend, dass sein Land als erste Euro-Nation unter den Rettungsschirm von EU und Internationalem Währungsfonds (IWF) schlüpfen wird. Die Einzelheiten des Rettungspaketes würden kurzfristig in den nächsten Wochen zu Ende verhandelt, sagte Cowen in Dublin. An das irische Volk gerichtet sagte er: „Wir sollten nicht die Größe unserer wirtschaftliche Probleme unterschätzen.“
„Unter 100 Milliarden“
Über die Höhe der Milliardenhilfen aus Brüssel machte er keine Angaben. Sie würden zum einen für die Restrukturierung des maroden Bankensektors verwendet, zum anderen für die Haushaltskonsolidierung. Der Bankensektor müsse „signifikant kleiner werden“, sagte Cowen. Laut Lenihan liege der Betrag unter 100 Milliarden Euro. Griechenland hatte im Mai 110 Milliarden Euro erhalten. Damals hatte es aber noch keinen Rettungsschirm gegeben.
Damit bestätigte Lenihan seine zuvor gegenüber dem irischen Radiosender RTE geäußerten Angaben, wonach Irland für seine Banken „mehrere zehn Milliarden Euro“ in der Hinterhand haben wolle. Hinzu könne noch Geld für den Staatshaushalt kommen. Irland habe sich 19 Milliarden Euro geliehen. Falls das Land auf dem Finanzmarkt keine Kredite mehr aufnehmen könne, wäre noch „eine gewisse Summe“ notwendig, um das Loch zu füllen.
Harter Sparkurs als Gegenleistung
Nach Schätzungen von Experten benötigt Irland zwischen 40 und 100 Milliarden Euro, um seine Bankenkrise in den Griff zu bekommen. Im Gegenzug für internationale Hilfen müsste sich das Land zu einem harten Sparkurs verpflichten. Ein neues Sparpaket war auch Sonntagnachmittag Thema einer Krisensitzung des Kabinetts.
Laut Cowen konnte man sich auf einen Vierjahresplan einigen, der eine Haushaltsentlastung von 15 Milliarden Euro vorsehe. Diese resultiere zu zwei Dritteln aus Kürzungen, zu einem Drittel aus Steuererhöhungen. Die Körperschaftssteuer werde nicht erhöht.
Anvisiertes Ziel ist es, das Haushaltsdefizit mittelfristig wieder auf drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zurückzuführen, wie es der EU-Stabilitätspakt vorsieht. Derzeit liegt das Defizit wegen Milliardenbürgschaften für die angeschlagenen irischen Finanzinstitute bei 32 Prozent des BIP.
Streitpunkt Unternehmenssteuer
Außer Frage steht somit, dass auf die irische Bevölkerung nun noch schärfere Kürzungen etwa im Sozialbereich zukommen. Den Plänen der Regierung zufolge soll der Rotstift unter anderem bei Zuwendungen an Kinder, Mindestlöhnen und beim Arbeitslosengeld angesetzt werden, wie irische Medien am Wochenende berichteten. Irland könne auch eine neue Immobiliensteuer einführen und bestimmte Steuererleichterungen für Besserverdienende streichen.
Eine Anhebung der Unternehmenssteuern wird allerdings weiter ausgeschlossen. Der Steuersatz von 12,5 Prozent für Unternehmen ist ein Standortvorteil, der viele ausländische Firmen auf die Insel lockte - sehr zum Ärger der anderen EU-Staaten.

Sunday Independent/Screenshot
Die Zeitung „Sunday Independent“ bezichtigt die Regierung der Lüge.
Die Regierung um Ministerpräsident Brian Cowen wurde indes von führenden Medien des Landes der Lüge bezichtigt und zum Rücktritt aufgefordert, da die Regierung Gespräche mit EU und IWF dementierte, obwohl informelle Diskussionen dazu längst liefen. „Ihr habt gelogen. Ihr habt uns enttäuscht. Tretet zurück“, titelte etwa die Zeitung „Sunday Independent“ unter den Fotos aller Kabinettsmitglieder. Kommentatoren wiesen darauf hin, die Gewerkschaften hätten vor Unruhen in der Bevölkerung gewarnt.
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