Akten zum Irak-Krieg
Drastische US-Reaktion auf die Veröffentlichung Hunderttausender geheimer Militärdokumente zum Irak-Krieg: Der Schritt der Enthüllungsplattform WikiLeaks gefährde Leben, schoss US-Außenministerin Hillary Clinton am Freitag gegen den jüngsten Coup des Internetprojekts.
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Die nationale Sicherheit der USA und die ihrer Verbündeten seien bedroht. WikiLeaks-Gründer Julian Assange glaubt unterdessen, Kriegsverbrechen auf der Spur zu sein. Ähnlich heftig die Antwort des US-Verteidigungsministeriums: „Indem solch sensible Dokumente zugänglich gemacht werden, setzt WikiLeaks weiter das Leben unserer Soldaten, unserer Verbündeten und von Irakern und Afghanen aufs Spiel, die für uns arbeiten“.
Die „einzige verantwortungsbewusste Maßnahme“ von WikiLeaks wäre es jetzt, das „gestohlene Material“ sofort zurückzugeben und es so schnell wie möglich von ihrer Website zu löschen.
„Beweise für Kriegsverbrechen“
WikiLeaks-Gründer Julian Assange sagte dem US-Nachrichtensender CNN, die Papiere stellten „Beweise für Kriegsverbrechen“ dar, die von den Koalitionstruppen und der irakischen Regierung begangen worden seien. Assange bestritt eine Gefährdung von US-Soldaten und irakischen Zivilisten. Es sei niemand durch die Veröffentlichung der Dokumente zum Afghanistan-Krieg zu Schaden gekommen.
Dem Vorwurf der USA, WikiLeaks gefährde mit der Publikation das Leben von Soldaten der USA, ihrer Verbündeten und des Irak, hielt Assange entgegen, dass die Akten redaktionell so bearbeitet worden seien, dass niemand gefährdet werde.
WikiLeaks stellte nach eigenen Angaben 391.832 geheime Berichte der US-Streitkräfte zum Irak-Krieg ins Netz. Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“, die britische Zeitung „Guardian“ und das US-Blatt „New York Times“ brachten am Freitag Analysen, die sich auf diese Dokumente stützen.
Zuvor hatte das Pentagon jedoch erklärt, in den Dokumenten fände sich wahrscheinlich kaum Neues. „Da wird es wahrscheinlich keine großen Überraschungen geben“, sagte der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, Major Chris Perrine, am Freitag. „Das sind alles Nachrichten von gestern.“ Über das meiste sei bereits „sehr, sehr ausführlich berichtet worden“.
Irak: „Keine Überraschungen“
Nach Ansicht des irakischen Ministeriums für Menschenrechte enthält das Material „keine Überraschungen“. Allerdings äußerte sich der Sprecher nur zu den Übergriffen der US-Armee. Zu den Enthüllungen über das Verhalten der irakischen Sicherheitskräfte - sie machen das Gros der Dokumente aus - wollte sich der Sprecher nicht äußern.
Al-Maliki bestreitet Verantwortung
Die irakische Regierung wiederum tat die Veröffentlichung der US-Geheimdokumente als PR-Kampagne politischer Gegner ab. Die Dokumente enthielten „keinen einzigen Beweis dafür, dass sich die irakische Regierung oder Ministerpräsident Nuri al-Maliki persönlich unpatriotisch verhalten haben“, hieß es in einer Erklärung im Namen der Regierung, die am Samstag in Bagdad verteilt wurde.
Die Dokumente der US-Armee belegen, dass auch Al-Maliki unterstellte Einheiten an Misshandlungen beteiligt waren. Seine Amtszeit ist eigentlich schon abgelaufen. Da es den Parteien, die bei der Parlamentswahl im vergangenen März die meisten Stimmen erhalten hatten, aber bisher nicht gelungen ist, eine Regierung zu bilden, übt er sein Amt weiterhin aus.
„Drastisches Porträt des Kriegs“
Die „New York Times“ („NYT“) sprach von einem „drastischen Porträt“ des Krieges. Es mache aber klar, dass bei weitem die meisten Zivilisten durch die Hand anderer Iraker starben. Die Dokumente zeugten auch von vielen bisher nicht bekannten Vorfällen, bei denen US-Soldaten Zivilisten töteten - an Kontrollposten, aus Hubschraubern, bei Einsätzen. Missverständnisse an Checkpoints endeten oft tödlich.
Die von WikiLeaks veröffentlichten Dokumente böten aber nur wenig Informationen darüber, was in amerikanischen Gefängnissen geschehen sei. Jedoch enthielten sie unauslöschliche Details über Missbrauch, der auf das Konto der irakischen Streitkräfte und Polizei gehe. Einer internen Aufstellung der Armee zufolge wurden zwischen der Invasion 2003 und Ende 2009 insgesamt etwa 109.000 Iraker getötet, 63 Prozent von ihnen Zivilisten.
US-Behörden hätten es unterlassen, Hunderten von Berichten über Missbrauch, Folter, Vergewaltigung und Mord nachzugehen, in die irakische Polizisten und Soldaten verwickelt gewesen seien, schrieb derweil die britische Tageszeitung „Guardian“.
Zeitweise offline
Ausgerechnet nach dem medialen Scoop war die Enthüllungsplattform am Samstag selbst zeitweise nicht zu erreichen. „Tut uns leid“, hieß es auf der Website. Wegen routinemäßiger Wartungsarbeiten sei der Zugang nicht möglich. In Twitter-Mitteilungen hieß es dazu, die Server seien wohl angesichts des Ansturms einfach überlastet. Mittlerweile ist die Website wieder problemlos anzusurfen.
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