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Große Unterschiede in der EU

Nach Kritik aus Deutschland hat das hoch verschuldete Irland seine niedrige Körperschaftssteuer (KöSt) verteidigt. Irland lege die Höhe der Unternehmenssteuer selbst fest, betonte Finanzminister Brian Lenihan am Mittwoch in einem Interview mit dem Sender RTE. „Und das ist so vom Lissabon-Vertrag gedeckt.“

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Mehrere EU-Staaten halten jedoch den niedrigen Steuersatz Irlands von 12,5 Prozent für eine Wettbewerbsverzerrung, da es bei der Auswahl eines Betriebsstandortes für Unternehmer eine wesentliche Rolle spielt, ob vom Gewinn ein ganzes Drittel - wie in Belgien, Frankreich und den Niederlanden - oder nur die Hälfte davon abzuliefern ist.

Innerhalb der EU haben nur Zypern und Bulgarien mit zehn Prozent einen niedrigeren KöSt-Satz als Irland. Demgegenüber stehen die Spitzenreiter Griechenland (35 Prozent), Belgien (34 Prozent) und Frankreich (33,3 Prozent). Weltweit führte der internationale Standortwettbewerb heuer zu einer weiteren Reduktion beim Körperschaftssteuersatz. Gegenüber 2009 sank der durchschnittliche Satz um 0,4 Prozentpunkte auf 24,99 Prozent. In der OECD liegt der Schnitt mit 25,94 Prozent sogar um 0,1 Prozentpunkte über dem Vorjahresniveau.

EU-Staaten mit der niedrigsten KöSt

Bulgarien 10 Prozent
Zypern 10 Prozent
Irland 12,5 Prozent
Deutschland 15 Prozent
Lettland 15 Prozent
Rumänien 16 Prozent

Innerhalb der EU erhöhten nur Ungarn und Island die KöSt, und zwar von 16 auf 19 bzw. 15 auf 18 Prozent. Der österreichische KöSt-Satz blieb stabil bei 25 Prozent und liegt damit nach wie vor recht deutlich über dem europäischen Durchschnitt (21,52 Prozent).

KöSt-Erhöhung soll Einnahmenseite verbessern

In der Debatte über mögliche EU-Hilfen für Irland hatte etwa der stellvertretende Unionsfraktionschef Michael Meister die Regierung in Dublin zu einer Erhöhung der KöSt aufgefordert „Die irischen Sätze liegen unter dem Durchschnitt in der EU“, sagte er am Dienstag. „Deshalb sehe ich hier zumindest die Möglichkeit, angesichts des hohen Haushaltsdefizits die Einnahmeseite zu verbessern, ohne negative Auswirkungen auf das Wachstum auszulösen.“

Irlands früheres Wirtschaftswunder sei ohnehin eine Illusion gewesen, behauptet Peter Boone von der London School of Economics. Die Basis dafür seien der clevere Gebrauch der Steueroasen-Gesetzgebung und ein enormer Kreditboom gewesen. Die eindrucksvollen Wachstumsraten über die letzte Dekade seien teilweise auf die aggressiven Versuche zurückzuführen, großen US-Konzernen wie Google, Apple und Facebook, die allesamt ihre Europazentralen in Irland haben, bei ihren steuerschonenden Abrechnungen zu helfen.

Rund 20 Prozent des irischen BIP seien auf solche Gewinntransfers zurückzuführen, die kaum Steuereinnahmen gebracht hätten. Würde man die irischen Zahlen diesem Faktum anpassen, sehe es für Irland noch fataler aus.

Internationale Konzerne sollen Wirtschaft ankurbeln

Irland baut trotzdem weiter darauf, dass Export und international tätige Konzerne der lahmenden Wirtschaft auf die Sprünge helfen. Einer Studie der OECD zufolge führt eine Erhöhung der effektiven Unternehmenssteuer um ein Prozent zu einem Rückgang ausländischer Investitionen um 3,7 Prozent. Die günstige Steuer ist auch ein Eckpunkt der Ansiedlung ausländischer Unternehmen, wie eine Umfrage unter deutschen Firmen, von denen sich derzeit 300 in Irland angesiedelt haben, belegt. Immerhin die Hälfte gab an, dass sie sich aufgrund der günstigen KöSt für den Unternehmensstandort entschieden habe.

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