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Der Traum von hohen Lösegeldsummen

Die jungen somalischen Fischer träumen vom schnellen Geld. Viele haben ihre Netze gegen Kalaschnikow und Enterhaken eingetauscht und sich einer der Piratenbanden angeschlossen. In Hobyo oder Haradhere, bekannten Piratenhäfen in der halbautonomen somalischen Region Puntland, hat die Jugend täglich vor Augen, dass eine erfolgreiche Piratenkarriere Reichtum und Ansehen bringt.

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Teile der bisher erpressten Lösegelder wurden in teure Geländewagen, Schmuck oder Häuser gesteckt. Von diesen Dingen kann ein einfacher Fischer sein Leben lang nur träumen. Als Lottogewinn für Piraten gilt die Gefangennahme eines Schiffs mit europäischen oder amerikanischen Seeleuten an Bord. Anders als die Seeleute von den Philippinen, aus Bangladesch oder der Ukraine erhalten westliche Gefangene in der Regel reichlich Medienaufmerksamkeit, und in den Heimatländern wird auf eine zügige Lösung gedrängt.

„Piraterie ist ein Millionengeschäft“

Die Regierung der Region Puntland fordert seit Jahren, den Piraten kein Lösegeld zu zahlen und damit denjenigen, die auf eine kriminelle Karriere auf See hoffen, den Wind aus den Segeln zu nehmen. Doch in der Regel werden sich Piraten und Schiffseigner immer dann relativ zügig einig über das Lösegeld, wenn entweder westliche Seeleute betroffen sind oder der Wert der gekaperten Ladung besonders hoch ist.

„Die Piraterie ist ein Millionengeschäft, und die eigentlichen Seeräuber sind da noch die kleinsten Fische“, sagte Lieutenant Colonel Per Klingvall, Sprecher der EU-Antipiratenmission Atalanta. Mittelsleute, die die Verhandlungen mit den Reedereien führen und Hintermänner, die lohnende Beute auskundschaften, werden zwar nie mit einer Waffe in der Hand gesichtet, profitieren aber ebenso von der Seeräuberei.

Tägliche Lebensbedrohung

Auch wenn ständig etwa 30 Kriegsschiffe im Golf von Aden im internationalen Schifffahrtskorridor patrouillieren - ein Risiko bleibt. Ralf Nagel, Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Reeder, spricht von einer täglichen Lebensbedrohung. „Seit mehr als zwei Jahren sind im Durchschnitt ständig 400 Seeleute verschiedener Nationen in der Gewalt von Geiselnehmern. Das wäre so, als wenn jedes Jahr 20 Großflugzeuge von Luftpiraten entführt und zur Erpressung von Lösegeld festgehalten würden“, sagte Nagel, der mehr Einheiten von Marinesoldaten oder Bundespolizisten an Bord von Handelsschiffen fordert.

Monsun bremst Angriffe

Nun, da sich die Monsunsaison dem Ende nähert, dürfte die Zahl der erfolgreichen Piratenangriffe sogar wieder zunehmen. In den vergangenen, stürmischen Monaten scheuten die Seeräuber die küstenfernen Gebiete des Indischen Ozeans, wo sie sich sicher vor internationalen Kriegsschiffen fühlen können.

Doch selbst wenn Piraten auf frischer Fahrt von Atalanta-Seeleuten oder anderen Marinesoldaten geschnappt werden, können sie sich inzwischen wieder sicher fühlen. Denn Kenia hat vor wenigen Wochen das mit der EU und anderen Staaten geschlossene Justizabkommen beendet. Es führt damit keine Prozesse mehr gegen Piraten, die von Atalanta-Schiffen gefangen wurden. Das Nachbarland Somalia hat solch ein Abkommen erst gar nicht abgeschlossen.

Eva Krafczyk, dpa

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