Niveau wie vor der Krise
Die Erholung nach der Krise ist auch auf dem Arbeitsmarkt spürbar, die Zahl der Arbeitslosen sinkt deutlich. Doch neben Teilzeitarbeit boomt vor allem der heimische Zeitarbeitsmarkt, der sich wieder dem Vorkrisenniveau genähert hat. Per 31. Juli 2010 waren in Österreich 66.054 Zeitarbeitskräfte im Einsatz, das sind um 8.824 Personen oder 15,4 Prozent mehr als ein Jahr davor.
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Das geht aus einer Erhebung des Sozialministeriums hervor. Vor der Krise, im Juli 2008, gab es noch 68.081 Zeitarbeiter. Laut Personaldienstleister Manpower ist die Zahl der überlassenen Arbeitskräfte mittlerweile sogar auf 80.000 Personen gestiegen.
Vor allem Männer
80 Prozent der Zeitarbeiter waren Männer. Männliche Arbeiter stellten 67 Prozent aller Zeitarbeiter. Angestellte werden laut der Erhebung länger angestellt als Arbeiter. Während rund 65 Prozent der Arbeiter weniger als sechs Monate beschäftigt sind, bleiben 50 Prozent der Angestellten länger als zwölf Monate in einem Betrieb.
Die meisten überlassenen Arbeitszeitkräfte arbeiteten zum Stichtag in den Sparten „Gewerbe, Handwerk, Dienstleistungen“ (24.023 Personen oder 36,4 Prozent) und „Industrie“ (23.389 Personen oder 35,4 Prozent). Die Branche „Tourismus und Freizeitwirtschaft“ setzte um 65,7 Prozent mehr Zeitarbeitskräfte ein. Das sind jedoch nur um 591 Personen mehr, somit waren zum Stichtag 1.490 Zeitarbeiter in der Branche beschäftigt. Denselben „Aufwärtstrend“ im Tourismus beobachte man beim quartalsmäßig erhobenen Beschäftigungsausblick, teilte Manpower in einer Aussendung mit. Demnach planen die Tourismusbetriebe, um 13 Prozent mehr Personal einzustellen.
Oberösterreich an der Spitze
Mit 18.268 Personen wurden mehr als ein Fünftel (27,7 Prozent) aller Zeitarbeitskräfte in Oberösterreich überlassen. Auch in Wien waren mit 16.332 Personen beziehungsweise 24,7 Prozent viele Zeitarbeiter beschäftigt, ebenso in der Steiermark (12.848 Personen oder 19,5 Prozent).
Durchschnittlich zwei Prozent
Der Österreich-Durchschnitt an Zeitarbeitern liegt bei zwei Prozent. Bis auf Niederösterreich und Tirol ist die Zahl der Zeitarbeiter zuletzt in allen Bundesländern gestiegen.
In diesen Bundesländern ist auch der Anteil der Zeitarbeiter an der Summe der Arbeitnehmer überdurchschnittlich hoch: In Oberösterreich beträgt er 3,1 Prozent, in der Steiermark 2,9 Prozent und in Wien 2,3 Prozent.
Die Zeitarbeitssparte ist auch bei Manpower gestiegen. Im November 2010 lag sie mit 3.800 Mitarbeitern um 46 Prozent höher als im Vorjahresmonat. Man freue sich über den „Erfolgskurs und das Aufatmen der Branche insgesamt“, teilte Erich Pichorner, Geschäftsführer des Personaldienstleisters, mit.
Warnungen der Gewerkschaft
Gewerkschaften haben das zuletzt weniger positiv gesehen: Gerade in der Metallbranche, wo es im Oktober einen starken Beschäftigtenzuwachs gab, sei die Zeit- und Leiharbeit stark gestiegen, warnte vida-Bundesvorsitzender und ÖGB-Arbeitsmarktsprecher Rudolf Kaske angesichts der Veröffentlichung der Arbeitslosenzahlen vergangene Woche. Das sei ein Indiz dafür, dass die Krise noch nicht ganz vorüber ist. Dieser Trend sei weniger erfreulich, denn das Ziel müsse sein, dass die Menschen direkt in den Betrieben fixe Beschäftigung finden.
Umstrittene Praktiken
Zuletzt waren die Praktiken der Leiharbeiterbranche in die Schlagzeilen geraten, weil man häufig das Arbeitsmarktservice (AMS) für Stehzeiten zwischen zwei Beschäftigungsverhältnissen zahlen lässt. Die Krankenkassen schauen durch diese Vorgangsweise durch die Finger.
Überproportional häufig werden nämlich bei den Arbeitskräfteüberlassern Mitarbeiter abgemeldet, die dann innerhalb von 14 Tagen beim selben Betrieb wieder angestellt werden. Für die zweiwöchige Stehzeit kassieren die Betroffenen Arbeitslosengeld. Konkret war diese Vorgangsweise bei Zeitarbeitsfirmen im Vorjahr 1.891-mal der Fall. Das sind 18,3 Prozent der Fälle, obwohl die Branche nur 1,75 Prozent aller Arbeitskräfte beschäftigte. Für die Gewerkschaft ist diese Praxis eindeutig Missbrauch.
Kein rein österreichisches Phänomen
Der Trend zur Zeitarbeit ist keineswegs ein österreichisches Phänomen. Die deutsche Zeitarbeitsbranche verzeichnet einen neuen Mitarbeiterrekord. Im August beschäftigte die Branche 893.000 Beschäftigte, so der Zeitarbeitsindex des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Demnach könnte die Millionengrenze noch in diesem Jahr erreicht werden. Die IG Metall hatte schon vorher gewarnt, der Beschäftigungsaufbau in Deutschland sei zum großen Teil auf schlecht bezahlte Leiharbeit zurückzuführen. Wie Wirtschaftsforschungsinstitute bestätigen, seien 60 Prozent des gesamten Beschäftigungsaufbaus im verarbeitenden Gewerbe in Leiharbeit erfolgt.
Personalvermittler jubeln weltweit
Umgekehrt jubelt der weltgrößte Personalvermittler Adecco über den steigenden Bedarf der Industrie an Zeitarbeitskräften und sieht vorerst kein Abreißen des Trends. „Die Firmen wissen die Vorteile einer flexibleren Belegschaft zu schätzen“, sagte Konzernchef Patrick de Maeseneire der Nachrichtenagentur Reuters.
Im abgelaufenen dritten Quartal steigerte Adecco den Reingewinn gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 42 Prozent auf 128 Millionen Euro. Der Überschuss lag damit über den Analystenschätzungen. Der Umsatz verbesserte sich im gleichen Zeitraum um mehr als ein Drittel auf fünf Milliarden Euro.
Die Zahlen von Adecco decken sich mit denen der Konkurrenz: Sowohl die niederländische Randstad als auch Manpower aus den USA hatten jüngst mit ihren Quartalszahlen positiv überrascht. Analysten zufolge profitieren Zeitarbeitsfirmen vom derzeit unsicheren wirtschaftlichen Umfeld. Viele Firmen hoffen, durch die Schaffung neuer zeitlich befristeter Stellen besser auf einen nach wie vor möglichen weiteren Nachfrageeinbruch reagieren zu können.
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