Sparsam dosierte Selbstkritik
Seit seinem Ausscheiden aus dem Präsidentenamt vor zwei Jahren ist es ruhig geworden um Georg W. Bush. Man sah ihn höchstens bei Spielen seiner Lieblingsbaseballmannschaft. Doch zum Erscheinen seiner Memoiren mit dem Titel „Decision Points“ („Entscheidungspunkte“) begab er sich auf Werbetour - und sprach über den Irak-Krieg, „Katrina“ und warum „Waterboarding“ „effektiv“ sei.
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Es ist ein wahrer Medienmarathon, den der ehemalige US-Präsident in den nächsten Tagen vor sich hat. Alle namhaften TV-Talkshows wollen den frischgebackenen Autor auf ihrer Couch sitzen haben. Grund für die Aufregung um den zuletzt sehr zurückgezogen lebenden Politpensionisten sind erste Details, die aus seinem am Dienstag erscheinenden Buch bekanntwurden. Späte Reue - vor allem wegen des Irak-Krieges - ist von ihm aber nicht zu erwarten.

AP/Harpo Productions Inc., George Burns
Auch bei Talk-Superstar Oprah Winfrey war Bush eingeladen.
„War gegen den Krieg“
Bevor Bush bei Oprah Winfrey Platz nahm, war er beim prominenten NBC-Journalisten Matt Lauer zu Gast, wo er am Montag die ersten Details aus seinem 497 Seiten starken Buch ausplauderte. Auf den Irak-Krieg angesprochen sagte Bush, er habe damals Bedenken gegen den Einmarsch gehabt. „Ich war gegen den Krieg. Ich wollte keine Gewalt“, so Bush. „Ich glaube, dass Gewalt das letzte Mittel für einen Präsidenten ist. Und ich glaube, es wird in dem Buch klar, dass ich der Diplomatie alle Chancen gab.“
Die endgültige Entscheidung, gegen Saddam Hussein in den Krieg zu ziehen, sieht Bush aber auch aus heutiger Sicht nicht als Fehler. „Die Welt ist besser dran ohne einen Saddam an der Macht. Und auch die 25 Mio. Iraker“, sagte Bush seinem Gastgeber Lauer. Auch als klar wurde, dass der damalige irakische Diktator keine Massenvernichtungswaffen hatte wie vom US-Geheimdienst behauptet, verteidigte der Ex-Präsident in dem Buch die Entscheidung. „Niemand war wütender und verärgerter als ich, als wir keine Waffen fanden“, schrieb Bush.
Bush: „Waterboarding“ moralisch vertretbar
Umstritten sind auch seine Textpassagen, in denen er das „Waterboarding“ - das Simulieren des Ertrinkens als Verhörmethode - verteidigte. Angewandt wurde diese Folterpraktik im US-Gefangenenlager Guantanamo. In einem Interview mit den englischen Zeitungen „The Times“ und „The Guardian“ bezeichnete er „Waterboarding“ als moralisch vertretbar, legal und effizient. Ohne die Anwendung „erweiterter Verhörmethoden“ hätte es weitere Angriffe von Terroristen auf die USA gegeben. Konkret seien geplante Attentate auf den Londoner Flughafen Heathrow und den Bürokomplex Canary Wharf im Zentrum der britischen Haupstadt enttarnt worden.
„Katrina“ als „Tiefpunkt“
In dem Kapitel zum Hurrikan „Katrina“, der 2005 große Teile von New Orleans zerstörte, räumt Bush dann erstmals auch Fehler ein. Als Bilder von ihm veröffentlicht wurden, wie er von einem Air Force One Flieger aus die Schäden begutachtete, habe er „sofort gewusst, das ist ein Problem“, schreibt er in dem Buch. Er hätte schon in Baton Rouge von Bord gehen sollen, anstatt über die verwüstete Stadt hinwegzufliegen, gestand er auch im NBC-Interview ein. Seine Reaktion sei zwar richtig gewesen, aber sie sei zu spät gekommen, zitiert die „Washington Post“ aus dem Buch. Er bezeichnet die Katastrophe als „tiefsten Punkt meiner Präsidentschaft“.
Aus dem Nähkästchen geplaudert
In seinem Buch erwähnt Bush aber auch weniger brisante, dafür umso persönlichere Details aus seinem Leben. Unter anderem, dass er überlegt habe, seinen Vize Dick Cheney zu feuern. Cheney war bei der Bevölkerung wenig beliebt, galt aber als eigentlicher Drahtzieher im Weißen Haus. Cheney selbst habe 2003 während eines privaten Mittagessens angeboten, nicht mehr als Kandidat für den Posten des Vizepräsidenten anzutreten. „Ich habe das in Betracht gezogen“, schreibt Bush.

AP/Crown Publishers
Buchhinweis
George W. Bush: Decision Points. Crown, 497 Seiten, 35 Dollar.
Dazu kommen Erinnerungen an jene Zeit, als er gegen seine Alkoholsucht ankämpfte. Damals sorgte er bei einem elterlichen Abendessen für einen Eklat, als er eine Dame am Tisch fragte, wie denn Sex mit über 50 so sei. Zum Schmunzeln laden auch seine Erinnerungen nach der Zeit als Präsident ein, als er - zurück in Texas - plötzlich wieder für so profane Dinge zuständig war, wie die Häufchen seines Hundes aus dem Nachbargarten zu entfernen.
Zeitpunkt gut gewählt
Bush, der sich seit dem Ende seiner Amtszeit im Jänner 2009 praktisch aus der Öffentlichkeit zurückzog, kehrt mit seinem Buch nun wieder ins Rampenlicht zurück. Bisher verweigerte er konsequent jeden politischen Kommentar, selbst zu seinem Nachfolger Barack Obama verkniff er sich jegliche Bemerkung. Nun wird er wieder von Interview zu Interview gereicht. Ganz zufällig dürfte sein „Comeback“ nicht gewählt sein. Ausgerechnet jetzt, wo seinem demokratischen Nachfolger nach der Schlappe bei den Kongresswahlen scharfer Gegenwind entgegenbläst, wagt sich der einst vielgehasste Staatschef wieder aus der Deckung.
Und er präsentiert sich so, wie er sich selbst wohl am liebsten gesehen hat: als großen Entscheidungsträger, der selbst vor unpopulären Maßnahmen nicht zurückgeschreckt ist. Ein wenig erinnert er mit seiner Aufarbeitung an seine Vorgänger Richard Nixon und Jimmy Carter. Beide unrühmlich aus dem Amt geschieden versuchten später über zahlreiche Bücher oder Aktionen, sich geschichtlich zu rehabilitieren. Carter bekam für seine Bemühungen schließlich sogar den Friedensnobelpreis. Dafür wird es bei Bush aber wohl nicht reichen.
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