Einfach kompliziert schön
„Es könnte alles so einfach sein, is’ es aber nicht.“ Man muss ja nicht beim Schlager nachhören, um den Wahrheiten des Lebens auf die Schliche zu kommen. Manchmal tun es auch eineinhalb Stunden im Kino, um zu so etwas wie unterhaltsamem Existenzialismus zu kommen. Im nun anlaufenden Spielfilm „Der letzte schöne Herbsttag“ darf das Publikum die schräge Liebe zwischen Claire und Leo beobachten.
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Diese Liebe wächst aus einer Lebenspanne heraus. Leos Fahrrad hatte einen Patschen, und Claire repariert ihn. Beide bekommen Lust auf die Lebensbaustelle des Gegenübers. Verliebt treten sie in die Wohnung des jeweils anderen. Claire ist perfektionistisch, geht gerne in Yoga und repräsentiert den Typus urbane moderne Frau, die eigentlich alles für ihr Leben hat, nur keinen Mann, der die notwendige Mischung aus Verständnis und den Hauch von Arschloch mitbringt.

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Leo und Claire, oder: Manchmal ist es einfach zum Blumenrupfen.
Der ewige Bub
Leo wiederum ist der ewige Bub, der in der Stadt lebt, mit seinen Freunden aber am liebsten die Wochenenden in freier Natur verbringt. In seiner Wohnung lehnen die Tourenski in der Ecke, und auch sonst ist Leo nicht das, was man neudeutsch als „casual“ bezeichnen würde: Seine Schlabberpullis sind wirkliche Schlabberpullis und riechen ein bisschen nach Grün-Bewegung der 80er Jahre und Gorleben-Camping.
Recht rasch stecken Leo und Claire in einem Alltag fest, in dem einer dem anderen gerne die wechselseitigen Versäumnisse und Missverständnisse vorhält. Leo wirkt pragmatisch und will den ganzen „Frauenkram“ nicht verstehen, den Claire in sein Leben schleppt. „Sie ist einfach kompliziert“, wird Leo des Öfteren sagen und dazu die Augen verdrehen.

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„Auf dem Gepäckträger mitfahren, ist doch albern“: Wie so oft muss Claire Leo abschleppen.
Claire wiederum will Romantik und trampelt mitunter auch recht unwirsch in Leos Leben hinein. Und so kommt, was kommen muss: Beide sitzen beim Therapeuten und berichten, was nicht stimmt mit dem anderen. Im Wesentlichen zeigt der neue Film von Ralf Westhoff diese Beziehungsmonologe und baut damit den ganzen Film auf der Treffsicherheit des Drehbuchs und der Wirkkraft der Schauspieler auf.
Paraderolle für Julia Koschitz
In der Tat: Claire, gespielt von Julia Koschitz (die ja schon in „Doctor’s Diary“ kongenial die abgebrühte Gegenspielerin zu Gretchen Hase mimte), und Leo, dargestellt von Felix Hellmann, sind ein Paar, bei dem man gerne Mäuschen im Laufstall der Probleme ist. Genüsslich springt der Film zwischen den Ich-hab-die-Schnauze-von-ihm-voll-und-sie-versteht-mich-auch-überhaupt-nicht-Monologen hin und her und würzt das Ganze mit kurzen Episoden aus dem beschriebenen Alltag.
Westhof hat ja mit seiner Single-Speed-Dating-Komödie „Shoppen“ (2007) schon einen Film vorgelegt, in dem er das zwischenmenschliche Leben in eine Serie schneller Schnitte und Szenen presst (sowohl Koschitz als auch Hellmann waren in diesem Film bereits dabei, sind also Westhoff-erprobt). Auch in „Der letzte schöne Herbsttag“ lebt das Tableau von dieser Abfolge schräger bis liebenswerter Eigenarten der porträtierten Charaktere.
Leo glaubt, dass er ohne Frauen leben kann. Und auch, dass er es natürlich ohne Claire schafft. Doch sein bester Freund muss ihn in der Bar daran erinnern, dass Leo nichts anderes macht, als ohne Unterlass und jegliche Empathie für einen anderen von Claire zu sprechen.
Botschaft für Männer
Männer können aus diesem Film vielleicht eine kleine Spur an Lebensweisheit mehr mitnehmen als Frauen. Denn, so vertraut der beste Freund seinem Kumpel Leo an: „Männer verlassen Frauen nicht. Sie lassen sich so lange gehen, bis es den Frauen reicht. Und dann stellen sie sich mit ihrem besten Freund hin und behaupten: Mit Frauen kann man einfach nicht zusammenleben.“
An einer Trennung kommen Claire und Leo nicht vorbei. Doch sie werden am Leben ohne den anderen laborieren. Und so muss Leo entdecken, dass unter dem Schlabberpulli die Fäuste eines Liebenden stecken, der im Zweifelsfall um die verlorene Claire sogar zum Prügeln bereit ist. Bevor die Winterreise beginnt, lässt sich noch einiges umdrehen am letzten schönen Tag im Herbst.
Gerald Heidegger, ORF.at
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