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„Die Italiener haben genug“

Der italienische Präsident der Abgeordnetenkammer, Gianfranco Fini, hat am Sonntag den Rücktritt von Regierungschef Silvio Belusconi gefordert. Angesichts neuer Sexskandale und zunehmender Kritik aus den Reihen von Opposition und Gewerkschaften wäre das die beste Lösung. Sollte Berlusconi aber versuchen, „den Sturm zu überstehen“, würde die Fini-Fraktion zurücktreten.

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Der Premierminister solle das Handtuch werfen und mit den Anhängern der Fini-Fraktion Zukunft und Freiheit für Italien (Futuro e Liberta per l’Italia/FLI) ein neues Kabinett mit einem klaren Programm bilden, verlangte Fini auf dem Nationalkonvent seiner Rechtsfraktion vor 10.000 Anhängern in Perugia. „Die Italiener haben genug von einer Regierung, die nicht regiert“, sagte Fini und schlug seinem Ex-Verbündeten Berlusconi eine Liste von Reformen vor, in der Wirtschaftsförderung und Beschäftigung prioritäre Punkte sein sollen.

Fini droht mit Rückzug seiner Minister

Laut Fini sollte Berlusconi die Regierungskoalition auf gemäßigte Parteien wie die christdemokratische UDC ausdehnen. Wirtschaftsentwicklung und Beschäftigung sollten die Prioritäten des neuen Kabinetts sein. Der Präsident der Abgeordnetenkammer, den Berlusconi im Juli aus der gemeinsamen Mitte-rechts-Partei Volk der Freiheit (Popolo della liberta/PdL) ausgewiesen hatte, forderte einen Generationspakt in Italien, um jungen Italienern Beschäftigung und Pensionen zu sichern.

Bruch im Juli

Fini hatte sich Ende Juli mit Berlusconi überworfen und die Regierungspartei PdL verlassen. Daraufhin waren ihm knapp 40 Abgeordnete und Senatoren gefolgt, mit denen Fini zunächst eine eigene Fraktion und jüngst die FLI gründete.

Sollte Berlusconi mit den Forderungen einverstanden sein, wäre Finis Fraktion bereit, das wackelnde Mitte-rechts-Kabinett weiter zu unterstützen. Sollte Berlusconi ihnen nicht nachkommen, drohte Fini mit dem Rückzug der vier Minister und Staatssekretäre seiner Fraktion aus der Regierung. Außerdem würde die Fraktion Berlusconi nicht mehr im Parlament unterstützen. Die Stimmen der Fini-Anhänger sind für den Fortbestand der Regierung Berlusconi ausschlaggebend.

Lega Nord will Versöhnung

Fini kritisierte auch die enge Allianz zwischen Berlusconi und der rechtsföderalistischen Regierungspartei Lega Nord. „Die Lega interessiert nicht, was in Süditalien geschieht“, meinte Fini. Diese Haltung sei eine Gefahr für die nationale Einheit. Die Lega Nord wiederum beobachtet mit Sorge die Spannungen zwischen Berlusconi und Fini. „Berlusconi sollte sich mit Fini versöhnen“, meinte Lega-Chef Umberto Bossi.

Sexskandale im Visier

Zugleich betonte Fini in Anspielung auf die jüngsten Sexskandale, der Niedergang der italienischen Gesellschaft sei eine Folge des voranschreitenden Verlusts von Anständigkeit seitens der Politiker, die für das Land ein Beispiel sein sollten.

Auch die Opposition setzt Berlusconi unter Druck. Die Demokratische Partei (PD, stärkste Oppositionspartei) plant am 11. Dezember eine große Demonstration gegen die Regierung Berlusconi in Rom. Oppositionschef Pierluigi Bersani forderte Berlusconis sofortigen Rücktritt. Ein Premierminister, der mit minderjährigen Mädchen verkehre, dürfe nicht im Amt bleiben, sagte Bersani. Staatschef Giorgio Napolitano rief die Parteien auf, sich mit den konkreten Problemen der Bürger auseinanderzusetzen.

Berlusconi: „Wie ein Granitblock reagieren“

Berlusconi selbst hatte am Wochenende erklärt, trotz der gegen ihn gerichteten Verleumdungskampagne wolle er weiterhin im Sattel bleiben, weil er mit der Unterstützung der Wählerschaft rechnen könne. Entziehe Finis Partei seiner Regierung die Unterstützung, müsse neu gewählt werden, warnte Berlusconi. Jede andere Lösung wie beispielsweise eine Übergangsregierung sei eine „Verschwörung“.

Seine Partei rief der 74-jährige Premierminister zu Zusammenhalt auf. „Vor den Angriffen, müssen wir mit Zusammenhalt reagieren. Ein extremer und gewalttätiger Versuch ist im Gange, um all das Gute zu zerstören, das wir bisher aufgebaut haben. Wir müssen wie ein Granitblock gegen die Attacken reagieren“, so Berlusconi.

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