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Laut Experte „wahrscheinlich“

Nachdem bekanntgeworden ist, dass die USA in Norwegen seit einem Jahrzehnt vermutlich systematisch Bürger ausgehorcht haben, befürchtet nun Schweden, dass der US-Spionagedienst Surveillance Detection Unit (SDU) seine Tätigkeit nicht auf das Nachbarland beschränkt hat.

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Der schwedische Geheimdienstexperte Wilhelm Agrell hält das für wahrscheinlich. „Man kann ja nicht nach Bedrohungen der Sicherheit in Norwegen Ausschau halten, wenn man nicht gleichzeitig Überblick über Personen und Organisationen in Schweden hat“, zitierte die schwedische Nachrichtenagentur Tidningarnas Telegrambyra (TT) Agrell. Der an der Universität in Lund das Fach Geheimdienstanalyse unterrichtende Experte nannte die Problematik eine politische „Treibmine“.

Ausweichende Antworten

Seitens der US-Botschaft hieß es auf Anfrage, Schweden und die USA unterhielten eine „enge Zusammenarbeit“ in Sicherheitsfragen. Einzelne Programme könne man nicht kommentieren. Ähnlich ausweichend antwortete man im zuständigen Justizministerium in Stockholm. Eine Sprecherin von Ministerin Beatrice Ask sagte, eine eventuelle US-amerikanische Überwachungstätigkeit in Schweden sei eine „polizeiliche Angelegenheit“. Geheimdienstexperte Agrell dazu: „Das ist, als ob man sich unter dem Küchentisch versteckt.“

Österreich nicht betroffen

Auf ORF.at-Anfrage betonten Außen- und Innenministerium, dass den heimischen Behörden nichts von einer Tätigkeit des SDU ähnlich wie in Norwegen bekannt sei. Das Innenministerium betonte, dass solche Akquirierungstätigkeiten nicht geduldet werden würden. Das US-Außenministerium hatte nach Bekanntwerden der Vorgänge in Norwegen darauf verwiesen, dass alles, was man tue, „in voller Übereinstimmung mit den Sicherheitsvereinbarungen“ stattfinde, „die wir mit jedem Gastland überall auf der Welt haben, Norwegen eingeschlossen“.

Zuvor hatte der Osloer Sender TV2 berichtet, dass führende norwegische Ex-Polizeibeamte und -Militärangehörige für die geheime SDU arbeiten und Norweger überwachen. Die SDU ist demnach in Norwegen wie auch in anderen Ländern seit zehn Jahren aktiv, um Terroraktionen gegen die US-Botschaft und die Residenz des Botschafters zu verhindern, hieß es weiter.

US-Botschaft in Oslo

APA/EPA/Scanpix Norway/Lien Kyrre

Die US-Botschaft in Norwegens Hauptstadt Oslo

Laut Berichten der norwegischen Tageszeitung „Verdens Gang“ wurde der US-Botschafter ins norwegische Außenministerium bestellt, um Auskunft über die Aktivitäten zu geben. Norwegens Justizminister Knut Storberget kündigte eine genaue Untersuchung an. Storberget sagte dem Sender TV2 zu dessen Enthüllungsbericht, die heimische Regierung wisse nichts von solchen US-Aktivitäten. „Wir haben eine Untersuchung in Gang gesetzt. Sie soll klären, ob es irgendwo Genehmigungen für etwas gegeben hat, das norwegische Gesetze verletzen würde.“

USA: Enge Zusammenarbeit mit Gastland

Im selben Sender wollte der Sprecher der US-Botschaft, Tim Moore, nicht auf die Frage antworten, ob die Überwachungsarbeit mit den Behörden in Oslo abgesprochen sei. Er sagte „intensive Zusammenarbeit“ mit norwegischen Stellen bei der Aufklärung zu.

Was das jeweilige Land über „spezifische Aktivitäten“ wisse, könne er nicht sagen, so der Sprecher des US-Außenministeriums, Philip Crowley. Man arbeite aber eng mit dem Gastland zusammen, tausche Informationen aus, man habe „dasselbe Ziel, unsere Botschaft und andere Diplomaten in Norwegen zu schützen“.

Außenminister: „Ernste Angelegenheit“

Norwegens Außenminister Jonas Gahr Store verlangte von den USA umfassende Auskünfte zu den Überwachungsaktivitäten. Seine Regierung habe bisher von der US-Botschaft „nicht alle gewünschten Antworten“ bekommen. Sollten bei den Aktivitäten norwegische Gesetze verletzt worden sein, sei das „eine ernste Angelegenheit“, sagte Store.

Chef der vor knapp zehn Jahren geschaffenen SDU sei der pensionierte Ex-Chef der Anti-Terror-Einheit von Norwegens Polizei, Olaf Johan Johansen (71), hieß es in Berichten norwegischer Medien. Neben Johansen wurden ein früherer Abteilungsleiter der Osloer Polizei sowie mehrere ranghohe Ex-Beamte der Kripo, des Militärs und der Zivilbereitschaft als SDU-Mitarbeiter genannt.

Datenbank mit Fotos von „Verdächtigen“

Die Gruppe soll mehrere hundert „verdächtige“ Personen erfasst und fotografiert sowie ihre Daten über eine eigens eingerichtete Datenbank (Security Incident Management Analysis System, SIMAS) dem Anti-Terror-Chef der US-Botschaft zugänglich gemacht haben. Laut den Medienangaben gibt es ähnliche SDU-Einheiten auch in anderen Ländern.

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