„Wähle die Vernunft“
Im Schatten der jüngsten Terrorismusbedrohung hat in den USA der Endspurt im Kongresswahlkampf begonnen. Wenige Tage vor den mit Spannung erwarteten Wahlen warf Präsident Barack Obama noch alles in die Waagschale, um das drohende Desaster für die Demokraten am kommenden Dienstag doch noch abzuwenden. Unterstützung erhielt Obama am Samstag vom populären TV-Politkomiker Jon Stewart.
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Bis zu 200.000 Menschen folgten Stewarts Einladung zu einer Großkundgebung „zur Wiederherstellung der Vernunft“. Mit einer farbenprächtigen Satireshow gelang es Stewart, Spaß in den Wahlkampf-Endspurt zu bringen. Die Demonstranten, zunehmend politikverdrossen angesichts des rauen Umgangstons während des Wahlkampfs, trugen Schilder, auf denen unter anderem zu lesen war: „Wähle die Vernunft“ oder „Entspanne dich“.
Schon Samstagfrüh platzten die U-Bahn-Stationen im Großraum Washington aus allen Nähten. Auf manchen Straßen war kaum noch ein Durchkommen. Die Veranstaltung des liberalen Gastgebers der „Daily Show“ des Senders Comedy Central galt als Gegenstück zu einer „Rallye zur Wiederherstellung der Ehre“, die Fox-News-Moderator Glen Beck im September, gestützt von der erzkonservativen „Tea Party“-Bewegung, abgehalten hatte.

Reuters/Jim Bourg
Colbert und Stewart vor dem Kapitol, dem Sitz des Kongresses
Oprah übernahm Reisekosten von Demonstranten
Unterstützt wurde Stewart vom ebenfalls äußerst erfolgreichen Satiriker Stephen Colbert, der in einer eigenen Comedy-Central-Show einen erzkonservativen Nachrichtenmann verkörpert - aber wie Stewart in Wirklichkeit ein Liberaler ist. Dazu hielten Stars wie Cat Stevens, Ozzy Osbourne, Sheryl Crowe und The Roots die Menge in Stimmung. Die Moderatorin Oprah Winfrey übernahm die Anreisekosten von rund 200 Zuschauern von Stewarts „Daily Show“. Die liberale New Yorker Onlinezeitung Huffington Post schickte 10.000 Menschen in 200 Bussen nach Washington.
Stewart hatte wiederholt bekräftigt, dass seine Kundgebung nicht politisch motiviert sei. Er wolle moderaten Bürgern aller politischer Richtungen ein Forum geben, ihrer Frustration über den konfrontativen Stil im politischen Washington zu geben, sagte er. Dennoch galt die Veranstaltung auf der Mall, der Museumszeile im Herzen Washingtons, so kurz vor den Kongresswahlen zumindest indirekt auch als Rückenstärkung für die Demokraten - schon deshalb, weil Stewarts Fans im überwiegend jüngeren Alter zumeist selbst dem liberalen Lager angehören.
Obama: Wahl wird nicht leicht
Obama selbst hatte die Kundgebung begrüßt. Am vergangenen Mittwoch war er in der „Daily Show“ zu Gast gewesen. Am Freitag rief Obama auf einer Wahlveranstaltung die eigene Partei dazu auf, sich nicht durch schlechte Umfrageergebnisse einschüchtern zu lassen. Politischen Mut zu zeigen sei nicht immer leicht, sagte Obama. In Pennsylvania gab er zu: „Diese Wahl wird nicht leicht.“

AP/Carolyn Kaster
Schätzungen zufolge kamen 200.000 Menschen zur Kundgebung nach Washington.
Der Sprecher des Weißen Hauses, Robert Gibbs, hatte zuvor erklärt, dass der Präsident trotz der jüngsten Terrorbedrohung an seinen geplanten Wahlkampfauftritten am Wochenende festhalten werde. Er stehe aber in ständigem Kontakt mit seinem Sicherheitsteam und halte sich über den Fortgang der Ermittlungen nach den vereitelten Paketbomben-Anschlägen auf dem Laufenden.
Obamas Demokraten müssen befürchten, dass sie am 2. November zumindest ihre Mehrheit im Abgeordnetenhaus verlieren. Die Republikaner werden nach Umfragen wahrscheinlich sogar mehr als die 39 Sitze hinzugewinnen, die sie zur Kontrolle dieser Kammer benötigen. Im Senat sieht das Rennen knapper aus. Dort müssten die Republikaner zehn Mandate hinzugewinnen, um das Ruder zu übernehmen.
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