14 Prozent lügen
Es ist ein altbekanntes Phänomen: Bei Quartalsbilanzen ziehen Firmen- und Konzernchefs begeistert Bilanz und geben rosige Ausblicke für die künftige Entwicklung des Unternehmens. Nicht selten sind die in Aussicht gestellten Gewinne und Umsätze für Investoren und Anleger mitentscheidend, um die entsprechenden Wertpapiere zu halten oder zu kaufen.
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Wenn die Firmen dann später ihre Ausblicke oder gar die vorgelegte Bilanz „korrigieren“ müssen, wie es im Börsensprech heißt, ist es für die Investoren meist zu spät. Eine Methode, zu erkennen, ob Stellungnahmen zu Quartalsberichten gezielt verfälscht oder manipuliert sind, wäre an der Wall Street und in der Londoner City wohl viel Geld wert. Zumindest einige ebenso einfache wie praktische Tipps, um zu erkennen, wann Firmenchefs nicht die Wahrheit sagen, liefert nun eine Studie der Stanford University.
Verräterische Wortwahl
Die Studienautoren David Larcker und Anastasia Zakolyukina versuchten, anhand psychologischer und linguistischer Kriterien festzustellen, wann ein Firmenchef lügt. Dazu untersuchten sie 30.000 Quartalsbilanz-Telefonkonferenzen von Chefs börsennotierter Firmen mit Investoren aus den Jahren 2003 bis 2007, die ihren Ausblick später korrigieren mussten. Dabei kamen sie zu einem eindeutigen Ergebnis: Die Wortwahl lässt recht klare Rückschlüsse darauf zu, ob ein Manager lügt.
In ihrer Untersuchung zeigte sich, dass Firmenchefs, die logen, selten in der ersten Person („ich“ und „wir“) sprachen, sondern stattdessen lieber auf „das Team“ und „die Firma“ verwiesen. Manager, die Investoren in die Irre leiten wollten, ersetzten zudem alltägliche Adjektive wie „solide“ und „respektabel“ durch besonders überschwängliche Begriffe wie „fantastisch“. Und sie erwähnten - wenig überraschend - selten den Vorteil, den Investoren vom Halten oder Kauf ihrer Firmenanteile haben würden (Stichwort: Shareholder Value).
Finanzvorstände vorsichtiger
Lügende Firmenchefs verwendeten auffällig oft Phrasen, die lästiges Nachfragen offenbar unterbinden sollen, etwa „Wie Sie sicherlich wissen ...“. Ihre Statements waren meist kurz und prägnant, und es kam deutlich weniger als bei nicht manipulierten Ergebnissen zu einem Zögern bei den Antworten. Die Studienautoren schließen daraus, dass die Antworten vorbereitet waren und die Manager versuchten, mit raschen Antworten ein Nachstochern durch Investoren zu verhindern.
In der Studie wurden die Aussagen von Managern aus verschiedenen Branchen geprüft. In 14 Prozent der Fälle logen die Manager. Die Chefs von Finanzfirmen rissen sich demnach etwas mehr beim Riemen, dort lag die Quote bei zehn Prozent.
Auffällig ist laut Larcker und Zakolyukina, dass die Finanzvorstände beim Manipulieren und Lügen deutlich vorsichtiger sind. Sie redeten nur halb so viel wie die Vorstandschefs und hielten sich auch deutlich dabei zurück, den wahren Befund mit Vokabeln wie „großartig“ und „überraschend“ zu verschleiern.
„Hinweise auf lügnerisches Verhalten“
Als betrügerisch wurden in der Studie die Stellungnahmen zu jenen Quartalsergebnissen eingestuft, bei denen das Nettoeinkommen berichtigt werden musste - allerdings nur solche, die aufgrund schwerwiegenderer Ursachen erfolgten, etwa der Bekanntgabe einer Materialschwäche bei einem Produkt oder eines Wechsels des Wirtschaftsprüfers. Damit sollten unabsichtlich irreführende Stellungnahmen ausgeschlossen werden.
Die Grundannahme der Studie ist, dass die Manager wussten, dass ihre Bilanzberichte manipuliert waren oder sie die Investoren bewusst falsch informierten. Ihre „spontanen und (hoffentlich) nicht geprobten Aussagen“ sollten die entscheidenden „Hinweise liefern, um lügnerisches Verhalten zu entdecken“, so die Studienautoren. Aufbauend auf linguistische und psychologische Studien aus anderen Bereichen zur Erkennung irreführender Aussagen wurde ein ausführlicher Wortraster entwickelt, der über alle 30.000 Bilanzgespräche gelegt wurde.
65 Prozent Trefferquote
Die Autoren betonen selbst, dass das von ihnen angewandte Modell nicht vollkommen ist. Es lag aber immerhin in bis zu 65 Prozent der Fälle richtig. Einer der Gründe, die eine höhere Trefferquote verhindern, dürfte sein, dass der Sprachgebrauch zu individuell ist, um jedes lügnerische Verhalten aufdecken zu können.
Nach Ansicht der Studienautoren ist das linguistische Modell jedenfalls ein vielversprechender Ansatz, um irreführende Statements von Firmenchefs bei der Präsentation von Quartalsbilanzen zu erkennen. Nicht untersucht wurde, ob diese Methode auch zur Analyse des Umgangs von Firmenchefs mit ihren Mitarbeitern dient - doch vielleicht gibt es demnächst eine Folgestudie.
Guido Tiefenthaler, ORF.at
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