„Schulterzucken“ als einzige Reaktion
Die Veröffentlichung von fast 400.000 geheimen US-Militärakten wirft ein grelles Licht auf Barbarei in irakischen Gefängnissen. Hunderte von der Internetplattform WikiLeaks veröffentlichte Berichte deuten darauf hin, dass Folter keine Ausnahme war - und die USA weggesehen haben.
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Vor der Onlineveröffentlichung ließ WikiLeaks die Dokumente maßgeblichen Medien zukommen - neben dem deutschen „Spiegel“ und dem britischen „Guardian“ vor allem der „New York Times“ (NYT). Die Zeitung zieht daraus den Schluss, dass die meisten irakischen Zivilisten durch die Hand ihrer Landsleute ums Leben gekommen seien. Häftlinge seien geschlagen, versengt und ausgepeitscht worden.
Grausame Details
Einige der Folterfälle seien von den Amerikanern untersucht worden, die meisten allerdings scheinen ignoriert worden zu sein - „mit einem institutionellen Schulterzucken: Soldaten erstatteten Bericht und baten die Iraker, eine Untersuchung einzuleiten.“ Das Pentagon berief sich hingegen auf Gesetz und internationale Praxis: Begehen Iraker die Tat, sind die irakischen Behörden auch für die Ermittlungen zuständig.
Die „New York Times“ spricht von einem „beängstigenden Porträt der Gewalt“ durch die Dokumente. In einem Fall verdächtigten US-Soldaten irakische Offiziere, einem Gefangenen die Finger abgeschnitten und ihn anschließend mit Säure verätzt zu haben. Daneben wurde aktenkundig, wie gefesselte Häftlinge exekutiert wurden.
Folter als „Ermittlungsmethode“
Selbst wenn die Amerikaner Fälle von Missbrauch aufdeckten, hätten die Iraker oft einfach nicht reagiert, schreibt die Zeitung weiter. Ein irakischer Befehlshaber lehnte demnach eine Anklage seiner Beamten mit dem Argument ab, der Gefangene zeige „noch“ keine Wundmale. Ein anderer habe gegenüber US-Ermittlern Folter offen „als Methode in den Ermittlungen befürwortet“.
Die US-Streitkräfte hätten sich manchmal aber auch die Angst der Iraker vor den eigenen Sicherheitskräften zunutze gemacht. Dabei hätten sie Gefangenen gedroht, sie beispielsweise an die gefürchtete und brutale irakische Polizeieinheit „Wolfsbrigade“ zu überstellen, um an Informationen zu kommen. Die schlimmsten Fälle von Missbrauch und Folter hätten sich vor allem in den späteren Kriegsjahren ereignet.
Ausnahmen von der Wegschauregel
Nachdem etwa ein irakisches Polizeikommando den Selbstmord eines Gefangenen zu Protokoll gegeben hatte, brachte eine Autopsie unter US-Aufsicht ans Licht, dass „der Häftling Quetschungen und Verbrennungen am Körper hatte, wie auch sichtbare Verletzungen an Kopf, Arm, Oberkörper, Beinen und Hals“. Im offiziellen US-Bericht ist derweil vermerkt, dass die irakische Polizei „angeblich mit einer Untersuchung begonnen hat“.
Es habe aber auch Fälle gegeben, in denen die Amerikaner entschlossen eingriffen: So hätten sie bei einem Besuch bei einer Polizeieinheit zwei ausgetrocknete Häftlinge mit zahlreichen blauen Flecken entdeckt, nachdem sie Schreie hörten. Die Gefangenen wurden dann aus irakischem Gewahrsam geholt. In einem anderen Fall stoppte ein US-Soldat einen Iraker, der in einer Militärpolizeistation mit einem Elektrokabel die Fußsohlen eines Häftlings peitschte.
USA: „Veröffentlichung gefährdet Leben“
WikiLeaks stellte nach eigenen Angaben insgesamt 391.832 geheime Berichte der US-Streitkräfte zum Irak-Krieg ins Netz. US-Verteidigungs- und Außenministerium reagierten mit scharfer Kritik und warfen der Enthüllungsplattform vor, Leben aufs Spiel zu setzen.
Der Irak-Krieg begann im März 2003 mit der Invasion der USA, Großbritanniens und verbündeter Staaten. Deutschland, Frankreich und Russland stellten sich gegen die sogenannte Koalition der Willigen. Die Invasion erfolgte ohne Legitimation durch den UNO-Sicherheitsrat. US-Präsidenten Barack Obama erklärte den Krieg am 31. August 2010 für offiziell beendet.
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