„Moralischer Schaden für das Land“
Die Proteste in Frankreich gegen die Pensionsreform sind am Mittwoch in Lyon erneut in Gewalt umgeschlagen. Jugendliche plünderten Geschäfte, setzten Autos in Brand und lieferten der Polizei Straßenschlachten. Diese ging im Zentrum der Stadt mit Tränengas gegen rund 300 Jugendliche vor. Ein Behördenvertreter sprach von einem Guerillakrieg.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
800 Polizisten wurden wegen der Ausschreitungen extra in die Stadt im Südosten Frankreichs beordert. In Marseille blockierten Donnerstagfrüh Demonstranten den Zugang zum Flughafen. Sie besetzten unter anderem einen Kreisverkehr. Zahlreiche Reisende ließen ihre Autos am Straßenrand stehen, um zu Fuß zum Flughafen zu gelangen. Zunächst wurden keine Flüge gestrichen.
Polizei löst Blockaden auf
Auch in dem Pariser Vorort Nanterre kam es zu Ausschreitungen. Die Polizei räumte außerdem mehrere Blockaden von Reformgegnern vor Treibstofflagern in La Rochelle, Mans und Donges in Westfrankreich. Derzeit ist etwa ein Drittel der 12.500 französischen Tankstellen komplett oder teilweise ohne Treibstoff.

AP/Laurent Cipriani
In der Innenstadt von Lyon kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Jugendlichen und der Polizei.
Die Ausschreitungen waren bereits am Donnerstag vergangener Woche aufgeflammt. In französischen Vorstädten haben viele Jugendliche keine Arbeit und nutzen politische Demonstrationen als Vorwand, um Gewalt auszuüben. Die endgültige Abstimmung über die heftig umstrittene Pensionsreform wird in den kommenden Tagen erwartet. Eine Mehrheit für das Vorhaben gilt als wahrscheinlich. Präsident Nicolas Sarkozy bekräftige am Mittwoch erneut, am Vorhaben festhalten zu wollen.
„Kein Recht auf Zerstörung“
Wirtschaftsministerin Christine Lagarde sorgt sich angesichts der gewaltsamen Proteste gegen die Pensionsreform um den Ruf Frankreichs. Zusammenstöße am Rande von Demonstrationen seien „schlimm“ für das Bild Frankreichs im Ausland, sagte Lagarde am Mittwoch dem französischen Fernsehsender TF1 und sprach von einem „moralischen Schaden“ für das Land. „Ich appelliere vor allem an die Vernunft derjenigen, denen es Spaß macht, Blockaden zu errichten oder etwas zu zerstören“, sagte die Ministerin. Das Demonstrationsrecht sei „kein Recht auf Zerstörung“.

Reuters/Robert Pratta
Zahlreiche Geschäfte in Lyon wurden beschädigt.
Frankreich habe die Wirtschafts- und Finanzkrise besser überstanden als andere Länder. „Wir verlieren hier gerade eine Chance für Frankreich“, sagte Lagarde. Die geplante Pensionsreform, gegen die sich die seit Tagen andauernden Proteste richten, bezeichnete die Politikerin als „legitim“. Die Reform sei nötig, um das System „wieder ins Gleichgewicht zu bringen“.
„Das ist skandalös“
„Die Randalierer werden nicht das letzte Wort in einer Demokratie haben“, betonte Sarkozy am Donnerstag. „Ich habe gestern die Bilder aus Lyon gesehen. Das ist skandalös“, fügte Sarkozy bei einem Besuch im zentralfranzösischen Bonneval hinzu.
Link: