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Hunderte Fälle warten auf Bearbeitung

Auch wenn die achtjährigen Zwillinge und ihr Vater aus dem Kosovo nach Österreich zurückkehren dürfen, warten noch Hunderte darauf, dass ihre Anträge bearbeitet werden. Beim Asylgerichtshof liegen derzeit 1.250 Anträge, beim Verwaltungsgerichtshof weitere 800. Auch Hunderte Altfälle - bei einer Einreise nach Österreich vor dem 1. Mai 2004 - sind noch ungeklärt.

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Der Vorwurf wegen langer Verfahren wird zunehmend lauter. Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) erneuerte am Dienstag ihre bereits zuvor geäußerte Kritik am Verwaltungsgerichtshof (VwGH). Es sei unverständlich, wenn sich der VwGH bei sehr einfach gelagerten Dublin-Fällen für Entscheidungen vier Jahre Zeit lässt, betonte die Innenministerin in Anspielung auf den Fall der armenischen Frau, die mit ihrer 14-jährigen Tochter mehrere Jahre auf die Entscheidung warten musste, dass Ungarn für ihren Fall zuständig ist. Auch in der ORF-Sendung „im Zentrum“ war am Sonntag etwa von SPÖ-Klubobmann Josef Cap kritisiert worden, dass Verfahren zu lange dauern.

Dublin-Verordnung

Die Dublin-Verordnung sieht vor, dass sich das EU-Land um ein Asylgesuch kümmern muss, in dem ein Asylwerber seinen ersten Antrag stellte.

Der VwGH sei die einzige Instanz, die sich für Entscheidungen so lange Zeit lasse. Der Asylgerichtshof hingegen könne Entscheidungen bezüglich Dublin-Fällen „binnen Wochen treffen“. Der VwGH sei nur noch für die Altfälle zuständig. Die neuen Fälle habe man „Gott sei Dank“ dem Gericht entzogen, so Fekter.

Jabloner: „Ich weise das zurück“

VwGH-Präsident Clemens Jabloner reagierte im Ö1-Morgenjournal auf Fekters Vorwürfe: „Ich sehe darin den Versuch, in einer schwierigen politischen Situation den Verwaltungsgerichtshof in die Verantwortung zu bringen. Ich weise das zurück.“ Der VwGH habe lange gebraucht, sagte Jabloner. Das liege aber an der Vielzahl der Verfahren, an den komplexen Gesetzen, die das Parlament erdacht habe - mehr dazu in oe1.ORF.at.

Auch die aufschiebende Wirkung der Asylbeschwerden - im Prinzip die Zuerkennung eines Abschiebestopps, bis das Höchstgericht entschieden hat - sei im VvGH-Gesetz genau geregelt: „Die Entscheidungen waren gesetzmäßig“, betonte Jabloner.

Bundesamt für Asyl und Migration

Im Ministerrat wurde am Dienstag die Errichtung eines Bundesamts für Asyl und Migration beschlossen, der Start ist bis spätestens 2013 geplant. Mit diesem von der SPÖ geforderten Projekt sollen die Agenden, die Zuwanderer betreffen, von derzeit 113 Stellen (Bezirkshauptmannschaften, Magistrate, Bundespolizeidirektionen, Bundesasylamt) gebündelt werden. Eine interministerielle Arbeitsgruppe soll gemeinsam mit dem Bundeskanzleramt an der Umsetzung des Bundesamts arbeiten.

Ursprünglich war auch geplant, die umstrittene „Anwesenheitspflicht“ von Asylwerbern zu beschließen. Das wurde aber wegen Bedenken des Verfassungsdienstes im Bundeskanzleramt verschoben. Die Experten hatten Bedenken angemeldet, was die De-facto-Anwesenheitspflicht der Asylwerber in der Erstaufnahmestelle auch außerhalb der Behördendienstzeiten angeht. Man wolle diese Fragen nun mit Experten diskutieren, dann das Gesetz beschließen und „zeitnah“ zum 1. Jänner inkraft treten lassen. Auf SPÖ-Seite hegt man allerdings Zweifel an dieser Argumentation.

„Fehlleistungen“ ausschalten

Dennoch zeigte sich Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) mit Vizekanzler Josef Pröll (ÖVP) nach dem Ministerrat zufrieden über den Beschluss zum Bundesamt. Es gehe darum, „Fehlleistungen auszuschließen“, so Faymann. Pröll betonte, dass es freilich keinen Grund gebe, die derzeit gültige Fremden- und Asylgesetzgebung zu ändern: „Wir halten klar den Kurs.“ Es müsse aber Verbesserungen im Vollzug geben.

Für den stellvertretenden oberösterreichischen Landeshauptmann Josef Ackerl (SPÖ) ist Fekter nach den Ereignissen rund um die Abschiebung der Familie Komani „nicht mehr tragbar“. „Es sollen die, die sie entsandt haben, darüber nachdenken, ob sie noch bleiben kann“, forderte er - mehr dazu in oesterreich.ORF.at.

Säugling abgeschoben

Indes berichtet die Wiener Wochenzeitung „Falter“ von einem weiteren aufsehenerregenden Abschiebungsfall. Demnach wurde ein Säugling eines Österreichers inhaftiert und abgeschoben. Die Mutter des Babys, eine unbescholtene Mongolin, wurde im Juni in ihrer Wohnung mit Handschellen abgeführt und per Bus zuerst in ein Wiener Polizeigefängnis und von dort nach Tschechien verbracht, so der Vater des Kindes. Der fünf Monate alte Säugling wurde mitabgeschoben. Der Vater des Babys, ein Österreicher, so die Behörden, habe kein Recht, dass sein Kind bei ihm in Wien lebt.

Ein Asylgerichtshof-Richter urteilte, dass das Recht der Mongolin und ihres Mannes auf ein Familienleben mit dem Baby hinter die „öffentliche Ordnung“ sowie das „wirtschaftliche Wohl des Landes“ zurückzutreten habe. Dem Vater des Kindes sei es „möglich und zumutbar“, seine Familie in Tschechien in der Schubhaft zu besuchen.

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