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Aufrüstung im Netz, Abrüstung auf See

Der britischen Regierung ist eine starke Cyberverteidigung wichtiger als ein einsatzbereiter Flugzeugträger. Die Neuausrichtung der Militärdoktrin des Vereinten Königreichs ist beispielhaft für die westliche Verteidigungsstrategie des 21. Jahrhunderts.

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„Rule, Britannia! Britannia, rule the waves!“ heißt es im Refrain eines patriotischen britischen Lieds aus dem 18. Jahrhundert - ein Motto, dem die Politik des damaligen Empires nur zu gern folgte. Die Flotte, lange Rückgrat und Garant britischer Weltmacht, ist auch heute noch ein wichtiger Teil der Identität des Inselstaats.

Insofern haben die Kürzungen und Umschichtungen im umgerechnet 42 Milliarden Euro schweren britischen Militärbudget, die der konservative Premierminister David Cameron am Dienstag im Unterhaus verkündet hat, einen starken symbolischen Charakter. Wie britische Medien berichten, wird die wichtige Entscheidung über die Zukunft des U-Boot-gestützten Atomwaffensystems Trident auf 2015 verschoben, womit der Staat über die kommenden vier Jahre umgerechnet 856 Millionen Pfund sparen will.

Britischer Flugzeugträger HMS Ark Royal

APA/EPA/Royal Navy/Gary Davies

Stolzes Flaggschiff: die „HMS Ark Royal“

Teure Flugzeugträger

Der 25 Jahre alte Flugzeugträger Ark Royal, das Flaggschiff der Flotte, soll unmittelbar außer Dienst gestellt werden - rund vier Jahre vor dem eigentlich geplanten Datum. Das hat zur Folge, dass die britische Marine ein gutes Jahrzehnt ohne leistungsfähigen eigenen Flugzeugträger mit modernen Jets auskommen muss. Der von der alten Labour-Regierung in Auftrag gegebene Träger Prince of Wales wird nämlich erst um 2019 voll einsatzfähig sein, sein Schwesterschiff Queen Elizabeth soll ab 2016 drei Jahre lediglich als Hubschrauberträger genutzt werden, bevor sie aus dem aktiven Dienst zurückgezogen wird.

Die beiden neuen Schiffe kosten die Steuerzahler in der Herstellung umgerechnet rund 6,7 Milliarden Euro. Die Illustrious, das Schwesterschiff der Ark Royal, wird derzeit überholt.

Auch die Senkrechtstarter-Kampfjets vom Typ Harrier werden ausgemustert, und zwar bevor Ersatzmaschinen beschafft werden. Um mit den Trägern der USA und der Franzosen kompatibel zu sein, möchte die britische Marine künftig Maschinen einsetzen, die mit Katapultunterstützung vom Flugdeck abheben und mit Haken und Fangleine landen können.

„Starker Partner“

Britischen Medienberichten zufolge lag die Sparvorgabe an die Militärs seitens des Schatzamtes bei zehn bis zwanzig Prozent des Jahresbudgets. Nun müssen Army, Air Force und Navy lediglich acht Prozent sparen - immerhin hat Premier Cameron US-Präsident Barack Obama erst am Montag im Rahmen eines Telefongesprächs versichert, dass Großbritannien weiterhin als „starker Partner“ an der Seite des großen Verbündeten stehen würde.

Das noch unter Labour aufgelegte, umgerechnet rund 1,8 Milliarden Euro umfassende Jahresbudget für den Bau und Unterhalt von Sozialwohnungen wird dagegen nach Angaben der BBC im Rahmen des Sparprogramms um 50 Prozent zurückgefahren. Das Wissenschaftsbudget soll um rund 13 Prozent gekürzt werden, wie der „Guardian“ vergangene Woche berichtete - wobei ein gutes Viertel der dafür vorgesehenen neun Milliarden Euro ohnehin für militärische Forschung vorgesehen war.

Mehr Geld für den „Onlinekrieg“

Die konservativ-liberale Koalitionsregierung unter Cameron will im Laufe der kommenden fünf Jahre das Staatsdefizit signifikant reduzieren, das derzeit bei rund zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegt. Der gesamte britische Staatshaushalt für 2010/2011 liegt bei umgerechnet rund 795 Milliarden Euro.

In diesem Kontext ist es bemerkenswert, dass die Regierung unter dem Stichwort „Cyberwar“ einmalig umgerechnet rund 570 Millionen Euro in den Schutz seiner Kommunikations- und Stromnetze stecken will. Die Bedrohungslage habe sich geändert, so Verteidigungsminister Liam Fox am Montag bei der Vorstellung des neuen Strategieberichts. Schwere Kampfpanzer aus dem Kalten Krieg werden abgebaut, Anti-Terror-Kapazitäten dafür aufgebaut.

Software statt Hardware

Wie Iain Lobban, Chef des britischen Militärgeheimdiensts Government Communications Headquarters (GCHQ), im Rahmen eines seltenen öffentlichen Auftritts in der vergangenen Woche sagte, wird sich im Kontext der neuen Verteidigungsdoktrin auch der Unterschied zwischen innerer und äußerer Verteidigung zusehends auflösen, denn das Internet hört nicht an den Landesgrenzen auf.

Wie das US-amerikanische Pendant zum GCHQ, die NSA, soll auch der britische Dienst zum Schutz der heimischen Informationsinfrastruktur eingesetzt werden. Der Geheimdienst will mehr Macht - und bekommt sie auch.

Klar ist, dass im Rahmen der Neuordnung des britischen Militärs die eigene Tradition der „Signal Intelligence“, des Abhörens und der Analyse von Nachrichten, gestärkt wird. Schließlich trug schon der direkte Vorläufer des GCHQ in Bletchley Park durch Entschlüsselung des deutschen Enigma-Codes zur U-Boot-Kommunikation entscheidend zum Sieg der Alliierten im Zweiten Weltkrieg bei. Die „Software“ hat im Kampf um das Budget gegenüber der „Hardware“ Boden gutgemacht. Inwieweit die neuen Aktivitäten der Geheimdienste mit den Bürgerrechten vereinbar sind, bleibt abzuwarten.

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