Chansonnier und Provokateur
Er verbrannte vor laufender Kamera einen 500-Franc-Geldschein, um gegen die Konsumgesellschaft zu protestieren und funktionierte Frankreichs Nationalhymne, die Marseillaise, in ein Antikriegslied um. Serge Gainsbourg, einer der bedeutendsten Chansonniers Frankreichs, brauchte die Provokation und den Medienrummel.
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Bis kurz vor seinem Tod im März 1991 machte Gainsbourg Witze über seinen starken Alkohol- und Zigarettenkonsum: „In Alkohol legt man Früchte ein und Fleisch wird geräuchert.“ „Da Serge nicht so war, wie er sein wollte, suchte er seine Bestätigung durch den Skandal“, erklärte seine langjährige Lebensgefährtin und Muse Jane Birkin. Gainsbourg, der wie ein Besessener arbeitete, komponierte für Brigitte Bardot, Juliette Greco und Petula Clark mehrere Erfolgschansons, sang, schrieb Romane, stand vor der Kamera, malte, war Kettenraucher, Gewohnheitstrinker und notorischer Zyniker.

AP/Jean Jacques Levy
Serge Gainsbourg mit seiner langjährigen Lebensgefährtin Jane Birkin.
Mit Provokationen und Zynismus reagierte der in Paris geborene Gainsbourg auf die Wunden, die ihm das Leben schon früh zugefügt hatte. Es gab Dinge, die er nie vergaß: Zuerst wollte seine Mutter ihn abtreiben lassen, dann musste er den gelben Judenstern tragen und schließlich flog er wegen Undiszipliniertheit vom Gymnasium. Dass er seine Bilder vernichtete, machte ihm besonders zu schaffen - denn statt Sänger wäre er lieber Maler geworden.
Sohn französischer Juden
Der als Lucien Ginsburg geborene Künstler war Sohn jüdischer Eltern, die 1921 aus Russland nach Frankreich emigrierten. Er war ein eher schüchterner und kränkelnder Junge. Mit zehn Jahren interessierte er sich für die schönen Künste, sieben Jahre später schrieb er sich in die Akademie Montmartre ein, wo er bei dem Maler und Bildhauer Jacob Pakciarz Unterricht nahm. „Lucien liebte Bonnard. Das war sein Idol. Das Licht und die Farben seiner Gemälde faszinierten ihn. Er war ein begabter und schüchterner Junge“, berichtete der in Polen geborene Künstler.
Er schuf vor allem Landschaften und Stillleben, einige verschenkte er, die meisten jedoch zerstörte er. „Ich wollte meine Bilder nicht verkaufen, in der Malerei war ich unbestechlich“, sagte Gainsbourg 1976 in einem Radiointerview. Um seinen Unterhalt zu verdienen, griff er zur Gitarre und tingelte durch die Pariser Bars und Nachtkneipen - mit viel Erfolg.
„Die Malerei hat mich geprägt“
Da er den erhofften Durchbruch in der Malerei nicht so schnell schaffte, wie er wollte, gab er sie auf. Jahre später schien er diese Entscheidung zu bereuen: „Die Malerei hat mich geprägt. Ich habe darin eine höhere Kunst gefunden, die mich intellektuell ausglich. Das Singen und der Erfolg jedoch haben mich ins Wanken gebracht. Ich war mit der Malerei glücklich, ich habe die Malerei geliebt“, gestand er 1974.
Der Maler Ginsburg war schüchtern, der Chansonnier Gainsbourg ein Provokateur. Vor allem ab den 80er Jahren suchte er den Streit und die Herausforderung. In einer Fernsehsendung machte er der amerikanischen Popdiva Whitney Houston vulgäre Angebote und trat betrunken in Fernsehshows auf. Gainsbourg war nie ein sehr gepflegter und gut aussehender Mann gewesen. Die Franzosen nannten ihn deshalb auch „Den Mann mit dem Kohlkopf“.
Doch in diesen Jahren begann er, sich völlig zu vernachlässigen: Er war unrasiert, meist ungekämmt und hatte ständig eine Zigarette im Mundwinkel hängen. „Serge sorgte für Skandale, weil er die Schlagzeilen brauchte. Dadurch hatte er das Gefühl, zu existieren“, sagte Jane Birkin. Und so lebt eine Legende weiter, die Frankreichs Presse so beschrieb: „Lucien Ginsburg ist tot, Serge Gainsbourg lebt ewig.“
Sabine Glaubitz, dpa
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