„Willkommen zurück im Leben“
Die historische Rettungsaktion in Chiles San-Jose-Bergwerk hat ein Happy End. Am Mittwochabend (Ortszeit) fuhr der Letzte der 33 verschütteten Kumpel aus dem Stollen, in dem die Arbeiter 69 Tage lang in mehr als 600 Meter Tiefe gefangen waren. Die einwandfrei organisierte Aktion dauert 22 Stunden und 39 Minuten. Zweieinhalb Stunden danach kam auch der Letzte von sechs Rettern wieder nach oben.
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Als letzter Kumpel entstieg der Schichtführer und „Boss“ genannte Bergarbeiter Luis Urzua Iribarren um 21.55 Uhr Ortszeit (2.55 Uhr MESZ) der „Phönix“-Rettungskapsel. Er hatte in der Tiefe entscheidend zum Zusammenhalt der Gruppe beigetragen. Urzua wollte erst alle Männer gerettet wissen, bevor er sich selbst auf den Weg nach oben machte.
„Mission erfüllt“
Er wurde mit frenetischem Jubel empfangen und vom sichtlich ergriffenen Präsidenten Sebastian Pinera umarmt. „Sie haben Ihre Aufgabe erfüllt“, sagte Pinera. „Ich gratuliere Ihnen, Sie sind ein guter Kapitän.“ Der Staatschef harrte die ganze Zeit am Ausgang des Rettungsschachts aus und begrüßte die Kumpel mit den Worten: „Willkommen zurück im Leben.“
Die im Schacht verbliebenen Retter hielten Minuten nach der Bergung des letzten Kumpels ein Schild in die unterirdisch installierten Kameras. Darauf stand: „Mision cumplida Chile“ (Mission erfüllt. Chile). Auf der Oberfläche knallten inzwischen die Sektkorken, und die Menschen sangen die Nationalhymne. Als letzter Retter kam Manuel Gonzalez am Donnerstag um 0.32 Uhr Ortszeit (5.32 Uhr MESZ) glücklich aus dem Schacht.
„Nicht mehr das gleiche Land“
Pinera dankte den Kumpeln für ihre Ausdauer und den Rettern für deren unermüdlichen Einsatz. „Chile ist heute nicht mehr das gleiche Land wie vor 69 Tagen“, sagte er. Das Land sei heute geeinter und stärker und werde in der Welt mehr respektiert und geschätzt. Die Bergleute hätten ein leuchtendes Beispiel von Mut, Loyalität und Kameradschaft gezeigt. Pinera rief: „Viva Chile!“ („Es lebe Chile“). „Wir haben eine magische Nacht erlebt, in der das Leben den Tod besiegt hat“, sagte Pinera.
Im chilenischen Fernsehen erklärte er später, die wochenlange Aktion habe zwischen zehn und 20 Millionen Dollar (sieben bis 14 Mio. Euro) gekostet. Die Ausgaben seien zu zwei Dritteln vom Staat übernommen worden. Der Rest sei über private Spenden finanziert worden. „Jeder Peso war es wert, jeder Peso wurde gut investiert“, sagte Pinera.
Alle wohlauf
Um ihre Augen nach Wochen in der Dunkelheit vor dem Tageslicht zu schützen, trugen alle Bergleute sehr dunkle Sonnenbrillen. Nach einem kurzen Treffen mit ihren Angehörigen und einem ersten ärztlichen Check bei der Mine wurden einige der Männer in ein Krankenhaus im nahen Copiapo gebracht, wo sie genauer untersucht werden sollten. Die meisten befänden sich in einem „zufriedenstellenden Zustand“, sagte Gesundheitsminister Jaime Manalich. Zwei Kumpel müssten sich allerdings am Donnerstag einer schweren Zahn-OP unter Vollnarkose unterziehen, ein weiterer werde wegen einer Lungenentzündung mit Antibiotika behandelt.

AP/Dario Lopez-Mills
Samuel Avalos Acuna wurde als 22. Kumpel gerettet.
Der als 27. Bergmann befreite Franklin Lobos Ramirez war in sichtlich guter Verfassung, als er oben ankam. Chiles Ex-Fußballstar wurde nach der Ankunft von seiner Tochter bestürmt und umarmt. Sie hatte ihm einen Ball mitgebracht, den Lobos auch sofort mit dem Fuß in die Luft kickte. „Er hat das wichtigste Match seines Lebens gewonnen“, kommentierte das chilenische Fernsehen.
Bewegendes Wiedersehen
Jede Ankunft wurde von den Familien gefeiert. Dabei spielten sich bewegende Szenen ab. Viele Kumpel dankten Gott für ihre Rettung und trugen T-Shirts mit den Worten „Gracias Senor, thank you Lord“ (Danke Herr). Dann folgte ein Auszug aus Psalm 95 der Bibel: „In seiner Hand sind die Tiefen der Erde, sein sind die Gipfel der Berge“ und zum Schluss: „Ihm gehören Ehre und Ruhm.“

APA/EPA/Ian Salas
Jubel kennt keine Grenzen
Jetzt aber wollen die Familienangehörigen zunächst einmal mit ihren „wiedergeborenen“ Männern, Brüdern und Söhnen feiern und vor allem auch in Ruhe gelassen werden. „Ich bin hier so lange wie auf dem Präsentierteller gesessen. Ich will nach Hause, will Privatheit und nicht mehr von Hunderten Journalisten beobachtet werden“, sagte Maria Herrera, die auf die Rettung ihres Bruders wartete.
69 Tage ausgeharrt
Für die Bergleute ging am Mittwoch ein langes Leiden zu Ende. 69 Tage schwankten sie und ihre Familien zwischen Angst und Hoffnung. Nie zuvor mussten Bergleute so lange unter Tage ausharren. Um mit den knappen Ressourcen auszukommen, aßen die Kumpel in den ersten Tagen lediglich alle zwei Tage zwei Löffel Thunfisch. Erst nach 17 Tagen konnte die Gruppe ein Lebenszeichen absetzen und wurde danach durch enge Röhren mit Lebensmitteln, Trinkwasser, Kleidung, elektronischen Geräten und Klappbetten versorgt.
Weltweit verfolgte die Öffentlichkeit mit Spannung das Schicksal der Verschütteten. Nach Schätzungen des Internationalen Verbands der Bergbaugewerkschaften kommen jedes Jahr mindestens 12.000 Kumpel weltweit bei ihrer Arbeit ums Leben. Die 33 Chilenen hatten seit dem 5. August in der Kupfer- und Goldmine in der Atacama-Wüste rund 800 Kilometer nördlich der Hauptstadt Santiago festgesessen. In der Hauptstadt wurde die Nachricht der geglückten Aktion mit einem Hupkonzert gefeiert.
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