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„Interpretation eines Lebens“

Der international gefeierte Comiczeichner Joann Sfar hat sich für sein Regiedebüt keine leichte Aufgabe gestellt: Für den Film „Gainsbourg - Der Mann, der die Frauen liebte“ wagte er sich an die Biografie einer französischen Ikone. Sein unbekümmerter Zugang wird schon in der Bezeichnung klar - er nennt den Film ein „biografisches Märchen“ und spricht von einer „Interpretation eines Lebens“.

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Der Chansonnier Serge Gainsbourg gilt als einer der einflussreichsten Künstler seiner Generation, von dem neben der bis heute unvergessenen Musik vor allem seine Frauengeschichten und Skandale legendär sind. Sfar präsentiert ihn in seinem Film als einen Künstler voller Selbstzweifel einerseits und einen kettenrauchenden Frauenhelden und Alkoholiker andererseits, der sich im Laufe seines Lebens immer mehr zum skandalsüchtigen Egomanen entwickelte.

Filmszene mit Lucy Gordon und Eric Elmosnino

Filmladen Filmverleih

Gainsbourg (Eric Elmosnino) ist in ausnahmslos jeder Szene rauchend zu sehen.

Seine Affäre mit Brigitte Bardot (Laetitia Casta), die Liebesnacht in der Wohnung des Malers Salvador Dali und die spätere Beziehung mit Jane Birkin (Lucy Gordon) setzte der Regisseur mit einem losen Umgang mit der Realität, dafür aber mit viel Liebe zum Detail um. „Gainsbourg“ folgt den Stationen eines Lebens, von der jüdischen Kindheit im besetzten Frankreich über die Ausbildung zum klassischen Pianisten und den ersten Versuchen als Maler bis zur Entdeckung als Chansonnier.

Stets begleitet von „der hässlichen Fresse“

Sfar stellt dem Musiker Comicfiguren zur Seite. In den Szenen der Kindheit wird der kleine Gainsbourg (Kacey Mottet Klein) von einem riesigen „Judenkopf“ begleitet, der einem Plakat der deutschen Besatzer entsprungen ist. Als Erwachsener hat er mit "der hässlichen Fresse“ eine lebensgroße, wahnhaft übertriebene Puppenversion seiner selbst als Begleiter und Advocatus Diaboli. Der Regisseur bezieht sich damit auf das von Gainsbourg im Lied „Ecce Homo“ beschriebene Alter Ego „Gainsbarre“, den kettenrauchenden Kampftrinker und Nachtclubkönig.

Regisseur Joann Sfar

AP/dapd/Philipp Guelland

„Ich liebe Gainsbourg viel zu sehr, um ihn ins Reich der Realität zurückzuholen“, erklärte der Regisseur Joann Sfar.

Sfar zeigt den Musiker als unheimlich erwachsenes Kind und später als Erwachsenen mit kindlicher Naivität. Als visuelles Stilmittel erinnern die Farbdramaturgie und die präzise Kameraführung an die künstlerische Herkunft des Regisseurs. In fließenden Übergängen erscheint jeder Abschnitt in einem anderen Licht: Gainsbourgs Zeit mit Juliette Greco taucht Sfar in ein verruchtes Rot, Bardot glänzt in der goldenen Morgensonne, und Birkin leuchtet mädchenhaft in unschuldigem Weiß.

Sprunghafte Künstlerbiografie

Auch die Erzählweise ist sehr speziell: Rückblenden, Traumsequenzen und zeitliche Unterbrechungen. Genauso sprunghaft wie die Biografie des Künstlers ist auch die filmische Umsetzung, ohne Detailwissen über das Leben Gainsbourgs stolpert man so manches Mal über Auslassungen von Stationen, die zum Verständnis notwendig wären. Auch bis heute bekannte Episoden aus dem Leben des Musikers sparte er aus, etwa als Gainsbourg in einer Talkshow einen 500-Francs-Schein verbrannte und die junge Whitney Houston mit sexuellen Anzüglichkeiten belästigte.

Der eher einfallslose deutsche Untertitel „Der Mann, der die Frauen liebte“ weist auf den roten Faden des Films hin, und wird dann doch nicht bestätigt. Gainsbourgs unzählige Affären und Beziehungen unter anderen mit Greco (Anna Mouglalis), Bardot und schließlich Birkin sind bekannt, doch in Sfars Film bleibt der Künstler stets distanziert: Statt Liebe sucht er Inspiration.

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