Von Journalisten belagert
Unter Blitzlichtgewitter sind die 33 verschütteten Kumpel aus der chilenischen Mine geborgen worden. Die Bilder ihrer Rettung und des emotionalen Wiedersehens mit ihren Angehörigen gingen um die ganze Welt. Besonders Medienliebling Mario Sepulveda wurde bejubelt wie ein Rockstar, als er aus der Rettungskapsel stieg.
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Vor den Augen und Kameras von rund 1.600 Journalisten umarmte er erst seine Frau, dann alle Umstehenden - egal ob Präsident Sebastian Pinera oder einen Maschinisten. „Es lebe Chile, Scheiße!“, schrie er seine Freude heraus.
Emotionale Szenen, festgehalten von den Kameras der rund 1.600 anwesenden Journalisten. Sepulveda brachte es unter den 33 Kumpeln wohl zu größter Berühmtheit: In den vielen Videos aus der Tiefe trat er meist als eine Art Reporter auf, der durch die Sendung führte. Mit viel Humor und schneller Zunge berichtete er vom harten Leben in dem feucht-heißen Verlies in etwa 700 Meter Tiefe. Seine Auftritte beendete er gerne mit dem Spruch: „Ich gebe zurück in die Sendezentrale.“

APA/EPA/Hugo Infante
Sepulveda im Freudentaumel nach seiner Rettung
Karriere als TV-Moderator?
Sollte Sepulveda nie wieder unter Tage arbeiten wollen, steht ihm möglicherweise eine andere Karriere offen. Zahlreiche TV-Kanäle wollen ihn interviewen und in ihre Sendungen einladen. Sollte der Held aus der Tiefe seinen Witz und Humor auch über der Erde bewahren, stünde ihm wohl sogar eine Zukunft als Moderator im Fernsehen offen.
„Bietet alle Elemente eines epischen Romans“
Das Interesse an der dramatischen Geschichte der 33 Männer ist enorm. „Das ist ein Märchen, das weitergeht, eine Geschichte, die alle Elemente eines epischen Romans bietet“, sagte der Kommunikationswissenschaftler Mauricio Tolosa aus Santiago. Das tragische Unglück am 5. August, die unverhoffte Entdeckung der Verschütteten nach 17 Tagen bangen Wartens und schließlich die spektakuläre Bergung der Minenarbeiter: Angesichts von so viel Dramatik sei die Faszination der Medien verständlich.
Unglück soll verfilmt werden
Mehrere Bücher und Dokumentarfilme sowie ein Spielfilm über das Drama 700 Meter unter der Erde sind bereits in Planung.
Schon vor der Rettung wurde jede Wendung der Geschichte von den allgegenwärtigen Kameras übertragen. Die Bergarbeiter selbst übermittelten Videoaufnahmen aus der Tiefe, auch ihre Familien trugen zu dem Medienauftrieb bei. Sie hätten rasch begriffen, dass sie das Medieninteresse wachhalten müssten, um Druck bei Suche und Bergung aufrechtzuerhalten, sagte Eduardo Santa Cruz vom Institut für Kommunikation der Universität Chile.
„Reality-Show“ unter Tage
Angesichts solcher Auswüchse wird auch Kritik laut. „Die Geschichte folgt manchmal den Regeln einer Reality-Show“, sagte Tolosa. „Eine eingeschlossene Gruppe, eine Kamera, die ihnen folgt, und eine Auswahl an Bildern, bei der niemand weiß, nach welchen Kriterien sie getroffen wird.“ Anders als bei einer Reality-Show aber gebe es keine ausdrückliche Zustimmung der Bergleute zur Verbreitung der Bilder.

AP/Dario Lopez-Mills
Journalisten vor der Mine San Jose
„Unbedingt von Medienansturm abschotten“
Experten warnen auch vor den Auswirkungen des Medierummels auf die Bergleute: „Es ist klar, dass die Bergleute nach ihrer Rettung gefragt sind wie derzeit kaum sonst jemand“, sagte der Medienexperte Bernd Blöbaum in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. „Aber: Sie sollten unbedingt vor diesem enormen Medienansturm abgeschottet werden.“ Nicht alle Journalisten würden den nötigen sensiblen Abstand wahren, vermutet er.
Rampenlicht nicht gewohnt
Vor dem Schritt in die Öffentlichkeit sollten sich die Kumpel dann unbedingt über den richtigen Umgang mit den Medien beraten lassen. „Das sind Menschen, die es nicht gewohnt sind, der Öffentlichkeit gegenüberzutreten. Es ist Aufgabe des Bergwerks und der Behörden, sie auch in diesem Punkt zu unterstützen, damit sie der Neugier der Medien nicht ungeschützt ausgeliefert sind.“
Es sei etwa damit zu rechnen, dass einige Medien für Interviews Geld bieten werden. „Die Bergleute sind für unsere Verhältnisse arme Menschen, da spielt Geld natürlich schon eine wichtige Rolle.“
Kumpel bitten um Ruhe
Die Bergleute selbst hatten, noch bevor die Rettung begann, die Öffentlichkeit aufgerufen, ihnen nach ihrer Bergung ein paar Tage Ruhe zu gönnen. Sie wollen erst ein paar Tage mit ihren Familie zusammen sein. Nach dieser Auszeit seien sie bereit, Fragen von Journalisten zu beantworten.
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