Neue Pipeline gefordert
Nach der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko ist den Türken die zunehmende Zahl von Tankern auf dem Bosporus unheimlich geworden. „Auf der ganzen Welt gibt es keine zweite Stadt mit 13 Millionen Einwohnern, durch die alle drei Minuten 400 Tonnen Gefahrgut transportiert werden“, sagte der türkische Umweltminister Veysel Eroglu kürzlich in Istanbul bei einer Konferenz mit 20 großen Energieunternehmen.
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Die gewünschte Lösung: Ölkonzerne sollen freiwillig neue Pipelines bauen. Ein Transport des Öls in Leitungen soll eine große Umweltkatastrophe in der Meerenge, die an ihrer engsten Stelle nur etwa 700 Meter breit ist, verhindern helfen. Malerisch liegen Promenaden der türkischen Metropole und ehemalige Fischerdörfer am europäischen und am asiatischen Ufer. Schrecklich erscheint die Gefahr einer Ölpest.
Murat Lecompte, ein Direktor des für die Katastrophe im Golf von Mexiko verantwortlich gemachten Ölmultis BP, sagte in Istanbul, der Konzern „sei sich bewusst, dass Sicherheit und Gefahrlosigkeit für Menschen und Umwelt entscheidend sind“.
Tausende Gefahrguttransporte
Im vergangenen Jahr sind mehr als 50.000 Schiffe durch den Bosporus gefahren, davon hatten etwa 10.000 Schiffe Gefahrgut an Bord. Die Passage ist im 1936 geschlossenen Vertrag von Montreux geregelt. Das Meerengenabkommen gab der Türkei die Souveränität über den Bosporus, das Marmarameer und die in das Mittelmeer übergehenden Dardanellen.
Die Vertragsparteien vereinbarten zwar Regeln für Schiffe, die Pest oder Gelbfieber an Bord haben oder zu einer Kriegsmarine gehören. Dem Handelsverkehr wurde - lange vor der Zeit der Supertanker - eine weitgehend freie Durchfahrt garantiert. Beschränkungen gibt es für das Tempo, die gleichzeitige Passage großer Schiffe und das Fahren ohne Begleitung von Schleppern und Lotsen.
30 Tote bei Frachterkollision
Die größte Katastrophe der jüngsten Zeit gab es im März 1994, als ein 276 Meter langer Tanker mit 98.500 Tonnen Rohöl an Bord auf dem Weg von Russland nach Italien mit einem Frachter kollidierte. Beide Schiffe gerieten in Brand. 30 Seeleute starben. Die Türkei führte daraufhin einseitig strengere Regeln ein. Russland und Griechenland protestierten.
Eine freie Passage garantiert den Anrainerstaaten des Schwarzen Meeres - darunter Russland, die Ukraine und Georgien - einen Zugang zum Mittelmeer. Damit ist der Bosporus eine der weltweit wohl wichtigsten internationalen Wasserstraßen.
Allein das durch die Meerenge transportierte Öl reiche, um drei Pipelines zu befüllen, erklärte die türkische Regierung bei der Tagung, an der auch Shell, Exxon Mobil und BP teilnahmen. Zwei Pipelines, in denen Öl aus Aserbaidschan und dem Irak in Terminals ans türkische Mittelmeer gepumpt wird, sind aber bereits voll ausgelastet.
Weitere Verkehrszunahme erwartet
Weil Aserbaidschan und Kasachstan die Liefermengen erhöhen wollen, wird ohne neue Leitungen eine weitere Zunahme des Tankerverkehrs erwartet. Dagegen könnte die Türkei mit dem Bau neuer Pipelines ihre gewünschte Rolle als Drehscheibe für Energielieferungen aus Zentralasien und dem Nahen Osten nach Europa absichern.
Die Energieunternehmen haben sich bereiterklärt, an einer Pipeline-Lösung mitzuarbeiten. „Und wenn es keine Lösung gibt? Dann sind wir gezwungen, Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen“, sagte der türkische Energieminister Taner Yildiz. „Wir wissen alle, dass es so nicht weitergehen kann. Ich glaube aus tiefstem Herzen, dass die Ölfirmen Teil einer Lösung sein wollen.“
Carsten Hoffmann, dpa
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