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Erfolg Straches kein Wien-Phänomen

Zugewinne der FPÖ bei der Wien-Wahl waren erwartet worden, dass die Freiheitlichen nach dem vorläufigem Ergebnis ohne Wahlkarten aber 27 Prozent erreichten, kam doch überraschend. Politologen gehen davon aus, dass der Erfolg von Parteichef Heinz-Christian Strache nicht auf Wien beschränkt bleiben wird. Sie halten es für möglich, dass die FPÖ auch bundesweit wieder auf 25 Prozent und mehr kommt.

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Strache kam am Sonntag fast an das Rekordergebnis der Blauen in der Bundeshauptstadt heran - 1996 erreichten die Freiheitlichen am Höhepunkt der Ära Haider rund 28 Prozent, Strache schaffte es - laut dem vorläufigen Endergebnis ohne Briefwahl - auf rund 27 Prozent. Mit Ausnahme Vorarlbergs 2009 konnte die FPÖ unter Strache bisher in den anderen Bundesländern und bei Wahlen auf Bundesebene nicht an die Topergebnisse der Freiheitlichen, die vor allem in Jörg Haiders Zeit fallen, anschließen.

Versäumnisse von SPÖ und ÖVP

Die Stärke der FPÖ sehen Politologen auch in der Schwäche der anderen. Die Freiheitlichen hätten auf das richtige Thema gesetzt, sind sich die Experten einig - und dieses Thema lautet Migration und Integration. SPÖ und ÖVP hätten da noch keine klare Linie gefunden, stellte Politologe Anton Pelinka fest. „Hier ist ein Versagen der beiden Regierungsparteien deutlich“, meinte er im Ö1-Mittagsjournal – mehr dazu in oe1.ORF.at.

In der ORF-Diskussionssendung „Im Zentrum“ hatte Pelinka schon Sonntagabend gemeint, die Versäumnisse der Regierung lägen vor allem in der Migrationspolitik – die sich nicht auf die Themen Asyl und Sicherheit beschränken lasse. Es sei auch fatal gewesen, dass die EU-Parlamentarier der Koalitionsparteien gegen eine Europäisierung der Materie gestimmt hätten.

Ohrfeige für Koalition

Auch die Politologin Katrin Stainer-Hämmerle sieht im Wahlerfolg der FPÖ eine Ohrfeige und Mahnung für SPÖ und ÖVP auf Bundesebene, die Diskussionen über Reformen auf die lange Bank geschoben hätten. Da hätten die Freiheitlichen Enttäuschte abholen können, indem sie die richtigen Fragen im Wahlkampf gestellt hätten.

FPÖ-Wahlabschlussveranstaltung am Stephansplatz

ORF.at/Roland Winkler

Abschlussveranstaltung der FPÖ am Stephansplatz

Wollen SPÖ und ÖVP diesen Höhenflug stoppen, so müssten sie das Integrationsthema offensiv angehen, so die Experten - mit einem Schwerpunkt auf Bildung, so Stainer-Hämmerle. Die Wähler müssten wieder Vertrauen fassen, dass die Regierungsparteien Probleme ernst nehmen und angehen. Ganz ähnlich war auch die einhellige Meinung der Diskussionsrunde von Politologen und Zeitungschefredakteuren „Im Zentrum“.

Wie in den 90er Jahren

Das Migrationsthema war der Schlüssel zum Erfolg der FPÖ, ist sich auch Fritz Plasser sicher. Generell habe sich die FPÖ von den Krisen der vergangenen Jahre erholt und restrukturiert. Sie habe nun wieder jene Schlagkraft und Mobilisierungsfähigkeit, „um Proteststimmen und Ressentiments in Bewegung zu setzen wie in den späten 90er Jahren“ unter Haider.

Strache bei der FPÖ-Wahlabschlussveranstaltung

ORF.at/Roland Winkler

Strache vor begeisterten Anhängern

Ähnlich argumentierte Pelinka: Er sieht kaum Veränderungen zu den Haider-Wahlerfolgen in den 90er Jahren. Damals wie heute gebe es eine ähnliche Konstellation: Der FPÖ gelinge es vor allem dann zu mobilisieren, wenn eine große Koalition die Bundesregierung bildet.

Punkten könne die FPÖ dabei vor allem beim Klientel der SPÖ, die von der traditionellen Arbeiterschaft ins Kleinbürgertum aufgestiegen ist. Vor allem dort würde man sich vor sozialem Abstieg fürchten und die FPÖ deswegen wählen.

Keine Chance auf Regierungsbeteiligung?

Pelinka sieht die FPÖ aber trotz aller Zugewinne in einem strategischen Dilemma: „Da bleibt wieder nur die Alternative wie schon vor zehn Jahren: Entweder versucht sie in die Regierung zu kommen mit dem großen Risiko, dann wieder abzustürzen, oder ewig Opposition zu sein, und das ist ja auch kein erschöpfendes Programm.“ Nachdem die Wiener SPÖ eine Koalition mit der FPÖ bisher ausgeschlossen hat, scheint die Chance auf eine Regierungsbeteiligung für Strache in Wien gegen null zu gehen.

Trotzdem wurde in „Im Zentrum“ diese Variante – wenn auch eher scherzhaft – diskutiert: Mit Regierungsverantwortung würden Straches markige Sprüche auch an Taten gemessen, zudem sei er damit für die nächste Zeit „beschäftigt“ und hätte weniger Zeit für die Bundespolitik. Und schließlich würde er dann wohl viele Wähler enttäuschen, wenn er nach drei Jahren im Amt Wien für die nächste Parlamentswahl wieder den Rücken kehren würde.

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