Konflikt mit wechselnden Fronten
Vor über 35 Jahren, am 13. April 1975, ist der libanesische Bürgerkrieg ausgebrochen, der mit massiver ausländischer Beteiligung nahezu eineinhalb Jahrzehnte dauerte und die einstige „Schweiz des Nahen Ostens“ verwüstete. Der blutige Konflikt zwischen Glaubensgemeinschaften, politischen Strömungen und sozialen Schichten kostete 150.000 Menschen das Leben.
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Er hatte weitgehend die Funktion eines Stellvertreterkriegs und führte zur direkten Intervention der Nachbarn Israel und Syrien. Am 13. April 1975 wurden 27 Palästinenser aus dem Beiruter Flüchtlingslager Sabra getötet, als christliche Milizionäre der rechtsgerichteten Falange-Partei (Kataeb) das Feuer auf einen PLO-Bus eröffneten. In den folgenden drei Tagen starben bei Straßenkämpfen in Beirut und anderen Städten mindestens 300 Menschen. Die Ursachen des libanesischen Bürgerkriegs sind vielschichtig.
Das koloniale Erbe
Frankreich, die einstige Kolonialmacht des 1943 unabhängig gewordenen Landes, schuf den Libanon als Puffer gegen Syrien. Die vorwiegend maronitisch-christliche Gesellschaft erschien Frankreich nach dem Ersten Weltkrieg als leichter steuerbar als das große Syrien, wo man immer wieder das Aufflammen des arabischen Nationalismus fürchtete.
Doch die Kräfte verschoben sich in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg. Der Anteil der muslimischen Bevölkerung wurde größer, das von den Franzosen eingerichtete Proporzsystem, das den Maroniten gegenüber den Sunniten und Schiiten im Land übergroße Macht verlieh, spiegelte nicht mehr die demografische Zusammensetzung des Landes wider.
Die Palästinenser im Libanon
Hinzu kam das Palästinenserproblem. Im Libanon lebten Mitte der 70er Jahre über eine halbe Million Palästinenser in der Emigration - als Folge der Besetzung des Westjordanlandes durch Israel 1967. Die PLO unter Jassir Arafat beschloss in den 70er Jahren, ihre Operationsbasis im Kampf gegen Israel nach Beirut zu verlegen. Ein neuer Konflikt wurde in das Land „importiert“.
Der erste Konflikt war einer zwischen christlichen Milizen und der PLO, die wiederum von muslimischen Sympathisanten unterstützt wurde. Am Anfang standen einander gegenüber: die christlichen Parteimilizen, die Falange, die „Tiger“-Miliz der Nationalliberalen Partei von Ex-Präsident Camille Schamun und die Marada-Brigaden des Staatspräsidenten Suleiman Frandschie, auf der anderen Seite die mit der PLO verbündeten muslimischen und linken Organisationen wie die Sozialistische Fortschrittspartei (PSP) des Drusen-Führers Kamal Dschumblatt.
Syrien als Schutzmacht der Christen
Von außen griff zunächst Syrien ein - mit einem Mandat der Arabischen Liga. Das scheinbar Paradoxe: Syrien verhinderte die drohende Niederlage des christlichen Lagers. Syrien hatte nämlich Angst, das fragile System im Libanon würde kippen. Doch die Fronten verschoben sich mit dem Eingreifen Israels, das einen PLO-dominierten Staat im Süden des Libanon fürchtete. Arafats Organisation hatte im Süden Beiruts und anderen Landesteilen Territorien geschaffen, in denen Korruption und Anarchie blühten.
Christliche Parteien wechselten von den Syrern ins Lager Israels, das seine Truppen 1978 und 1982 einmarschieren ließ und die PLO aus Beirut vertrieb. In den Flüchtlingslagern Sabra und Schatila im Süden Beiruts kam es zu Massakern an den Palästinensern.
Wieder traf es einen Gemayel
Der junge Milizführer Beschir Gemayel, Sohn des Falange-Gründers Pierre Gemayel, wurde in dem von israelischen Truppen eingenommenen Ostbeirut von einem Rumpfparlament zum Präsidenten gewählt, verlor aber kurz darauf bei einem Bombenattentat im September 1982 das Leben. Sein gemäßigter älterer Bruder Amin Gemayel wurde Staatschef. Ein von Israel diktierter Separatfrieden wurde 1983 nicht ratifiziert.
Syrien unterstützte eine überkonfessionelle Koalition, die pro-syrischen Christen führte der mächtige Maronitenführer Frandschie an. Vom Iran wurde für den Export der islamischen Revolution die schiitisch-radikale Hisbollah (Partei Gottes) geschaffen. Selbstmordkommandos verübten blutige Anschläge, im Oktober 1983 kamen bei der Detonation eines mit 900 Kilogramm Sprengstoff beladenen Lastwagens in ihrem Hauptquartier 230 US-Marines und 58 französische Fallschirmjäger ums Leben, die nach der israelischen Invasion in Beirut stationiert worden waren.
Abkommen ohne Wirkung
Ungezählte Waffenstillstandsabkommen und Versöhnungskonferenzen blieben ohne Ergebnis. Prominenteste Opfer der Gewalt waren neben Beschir Gemayel der 1989 nach nur 17-tägiger Amtszeit ermordete Staatspräsident Rene Moawad, der Sunnitenführer Ministerpräsident Raschid Karame, Dschumblatt und der sunnitische Großmufti Hassan Chaled. Die Christenführer und die Präsidentensöhne Tony Frandschie und Dany Schamun wurden mit ihren Frauen und Kindern von Glaubensgenossen niedergemetzelt.
Erst 1989/90 - nach dem Zusammenbruch einer christlichen Rebellion des Generals Michel Aoun - endete der Bürgerkrieg. Eine von den Konfliktparteien in Taif (Saudi-Arabien) angenommene „Charta der nationalen Versöhnung“ legte das Fundament für ein neues Regierungssystem. Gleichzeitig wurde Syriens Rolle als Ordnungsmacht verankert.
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