„Auf Israel schauen“
Sympathie wird dem iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad bei seinem Besuch am Mittwoch im Libanon nicht von überall begegnen. Sunniten und Christen verbreiten Bilder mit seinem Gesicht und dem Slogan „Du bist hier nicht willkommen“. Die schiitische Hisbollah-Miliz hingegen, die vom Iran finanziell und mit Waffen unterstützt wird, begrüßt sein Kommen.
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AP
Nicht jeder heißt den iranischen Präsidenten willkommen, wie dieses Plakat in Tripoli zeigt.
Für den libanesischen Politologen der Lebanese International University (LIU), Dschamal Wakim, kommt der Besuch von Ahmadinedschad zu einem entscheidenden Zeitpunkt: „Es ist eine Botschaft an Israel, die zeigen soll, dass der Iran starke Verbündete hat, sollte Israel sein Land angreifen“, sagte er gegenüber ORF.at. Zugleich zeige es auch eine Unterstützung der Hisbollah und seiner Verbündeten im Libanon, die von den USA und deren Alliierten attackiert würden.
Der iranische Präsident kündigte an, „auf Israel zu schauen“ und einen Stein dorthin zu werfen. In Beirut wurde er von Anhängern der Hisbollah wie ein Volksheld empfangen. Unterstützer des prowestlichen Lagers von Ministerpräsident Saad Hariri protestierten gegen den iranischen Präsidenten. Sie werfen ihm vor, die Hisbollah aufgerüstet und dadurch die innenpolitische Machtbalance gestört zu haben - Video dazu in iptv.ORF.at.
Zu Beginn seines Besuchs sprach er mit dem libanesischen Präsidenten Michel Sleiman. Er will sich auch mit dem Chef der mächtigen Hisbollah-Miliz, Hassan Nasrallah, treffen. Nach Angaben libanesischer Medien wurde die ohnehin sehr präsente Anwesenheit der Armee vor diesem Besuch weiter verstärkt.
„Achse des Widerstands“
Damaskus und Teheran haben einen tief verwurzelten Einfluss im Libanon. Beide formierten sich mit der Hisbollah und der palästinensischen Hamas in einer „Achse des Widerstands“. Der Iran soll der Hisbollah Waffen und finanzielle Unterstützung zur Verfügung stellen und in die libanesische Wirtschaft investieren. Auch an einer engen wirtschaftlichen Kooperation wird gearbeitet. Syrien gilt als mutmaßliches Transitland für Hisbollah-Waffen.
Die USA wollen nun Syrien und den Libanon stärker in die Nahost-Friedensgespräche einbinden. An Frieden in der Region glauben im Libanon allerdings die wenigsten. Zwar wird vier Jahre nach der israelischen Libanon-Offensive und 20 Jahre nach dem Ende des 15-jährigen Bürgerkriegs an allen noch freien Plätzen gebaut und wieder aufgebaut. Mit Immobilien lässt sich noch Geld verdienen - auch als Wertanlage.
Denn bei einer neuen Auseinandersetzung wird mit einer Entwertung der Bankguthaben in libanesischen Pfund gerechnet, der US-Dollar wird auch jetzt nahezu überall akzeptiert. Gleichzeitig rüstet sich das Land für neue Auseinandersetzungen.
Die Hisbollah
Die schiitische Hisbollah („Partei Gottes“) wurde 1982 von den iranischen Revolutionsgarden als paramilitärische Organisation für den Widerstand gegen die damalige israelische Invasion im Libanon etabliert. 1985 fand die offizielle Gründung statt.
Aufrüstung in der Region
Laut einem Bericht der israelischen Zeitung „Haaretz“ nahm der Verkauf von Leichtfeuerwaffen im Libanon zuletzt deutlich zu. Israel kaufte vor wenigen Tagen von den USA 20 neue Kampfflugzeuge mit Tarnkappentechnologie, „um sich gegen jede Bedrohung aus der Region selbst zu verteidigen“. Sie wirft der Hisbollah-Miliz selbst massive Aufrüstung insbesondere im Süden des Libanon vor. Rund 40.000 Rakten soll die Miliz bereits besitzen - auch mit einer Reichweite von bis zu 200 Kilometern.
Im Südlibanon wird die angespannte Situation deutlich. Die entmilitarisierte Zone an der Grenze wird von der UNO-Friedenstruppe UNIFIL kontrolliert. Erst im August wurden bei einem Grenzgefecht zwischen israelischer und libanesischer Armee zwei Soldaten und ein Journalist aus dem Libanon getötet. Bis dahin hatte sich die Armee bei Kämpfen mit Israel weitgehend herausgehalten. Nur wenige Wochen später kam es in Beirut zu blutigen Zusammenstößen zwischen Schiiten und Sunniten mit vier Toten.
Vetomacht der Hisbollah
Das Konfliktpotenzial ist groß: wegen des Säbelrasselns zwischen Israel und dem Iran, das den Libanon in diese Auseinandersetzung ziehen könnte, und wegen einer möglichen Eskalation der internen Konfrontation zwischen Sunniten und Schiiten - unter Einbeziehung der jeweiligen Verbündeten. Im Mittelpunkt der internen Auseinandersetzung steht das UNO-Hariri-Tribunal, welches das Attentat auf den früheren Ministerpräsidenten Rafik Hariri aufklären soll. Es wird erwartet, dass Hisbollah-Mitglieder und syrische Funktionäre angeklagt werden.
Religiöses Proporzsystem
Das Sagen haben die jeweiligen Führer der unterschiedlichen religiösen Gruppierungen von Sunniten, Schiiten über Christen bis zu Drusen, die von regionalen und internationalen Mächten unterstützt werden. Entsprechend den Konfessionen sind auch die politischen Ämter aufgeteilt. Das Präsidentenamt, derzeit Sleiman, besetzt immer ein christlicher Maronit, der Ministerpräsident, Saad Hariri, ist Sunnit, der Parlamentssprecher, Nabih Berri, ist Schiit.
Auch für Wakim spielt das Hariri-Tribunal eine entscheidende Rolle. Auf der einen Seite versuche das Tribunal, das von den USA politisch beeinflusst sei, die Hisbollah mit dem Mord an Hariri in Verbindung zu bringen und „Probleme zwischen Sunniten und Schiiten im Libanon anzuzetteln - als ersten Schritt in Richtung einer Konfrontation zwischen den beiden Gruppen im Iran und in der Golfregion“, betonte der Politologe.
Auf der anderen Seite bemühe sich allerdings auch die Hisbollah seit Wochen, das Tribunal zu diskreditieren. Ihr Wort, vor allem das ihres Chefs Nasrallah, gilt. Zwar stellt die Bewegung nur zwei von 30 Kabinettsmitgliedern, ihr militärisches Gewicht - im Gegensatz zur mangelnden Schlagkraft der libanesischen Armee - gibt ihr aber im Prinzip nahezu überall ein Vetorecht. Entsprechend wollen die USA die Armee des Libanon weiterhin stärken - um die Machtbalance im Land zu gewährleisten. Auch der Iran bot sich an, die Armee zu unterstützen - offiziell wurde das Angebot aber zurückgewiesen. Die libanesische Regierung eröffnete zudem ein Spendenkonto für den Kauf von Waffen für die Streitkräfte.
Hisbollah „vorderste Verteidigungslinie“
Antoine Sahra, Abgeordneter der rechtsnationalistischen Christenpartei Forces Libanaises, bestätigt die Unruhe im Land: „Wir befinden uns in einer Krisensituation, wo die Mehrheit der Leute mit Gewalt rechnet. Die Iraner haben ja selbst gesagt, dass die Hamas im Gazastreifen und die Hisbollah im Libanon ihre vordersten Verteidigungslinien sind.“ Die libanesische „Verteidigungslinie“ möchte Ahmadinedschad am Mittwoch nun selbst abstecken.
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