Festplattenabgabe kommt vor Gericht
Seit 1. Oktober werden in Österreich auch für Festplatten Urheberrechtsabgaben zwischen zwölf und 36 Euro (ohne Umsatzsteuer) verlangt. Letztlich werden wohl die Endkunden für die Mehrbelastung zahlen, die Rechteinhaber für Privatkopien entschädigen soll. Computerhersteller und -handel befürchten Umsatzeinbußen und klagen.
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Ende Oktober wird der Computerhersteller Hewlett Packard (HP) stellvertretend für heimische Importeure und Computerhändler vor dem Handelsgericht eine Feststellungsklage gegen die von sieben österreichischen Verwertungsgesellschaften unter Federführung der Austro Mechana festgesetzten Tarife für Urheberrechtsabgaben auf Festplatten einbringen. „Darauf haben wir uns heute geeinigt“, sagte Ulrich Fuchs, Obmann des Bundesgremiums des Handels mit Maschinen und Computersystemen, nach einer Sitzung mit Importeuren am Dienstag.
Entschädigung für private Vervielfältigung
Der Rechtsstreit, der nicht überraschend kommt, wird wohl erst beim Obersten Gerichtshof (OGH) sein Ende finden. Und das kann dauern. Bis dahin herrsche Rechtsunsicherheit, heißt es aus dem Handel, der wegen höherer Preise Umsatzeinbußen befürchtet.
Die seit 1. Oktober gültigen Tarife betragen je nach Speicherkapazität, Art und Tarifvereinbarung zwischen zwölf und 36 Euro netto pro Festplatte (ohne Umsatzsteuer). Die „Leerkassettenvergütung“, die davor bereits für Speichermedien wie CDs, DVDs, MP3-Player oder DVD-Recorder und Sat-Receiver eingehoben wurde, soll Rechteinhaber für die Vervielfältigung urheberrechtlich geschützter Werke im privaten Bereich entschädigen.
Die Verwertungsgesellschaften unterlagen bereits zweimal bei Rechtsstreitigkeiten um Urheberrechtsabgaben auf Festplatten. Im August 2005 wies der OGH die Ausweitung der „Leerkassettenvergütung“ auf Festplatten in PCs und Notebooks zurück. Tarife für MP3-Player bestätigte das Gericht damals jedoch. Eine 2006 von der Verwertungsgesellschaft Literar-Mechana geforderte Reprografieabgabe für in Österreich in Umlauf gebrachte PCs in der Höhe von 18 Euro wurde 2009 vom OGH ebenfalls zurückgewiesen.
„Speicherung urheberrechtlich relevanter Werke“
Die Austro Mechana geht unter Berufung auf aktuelle Marktstudien davon aus, dass Festplatten in hohem Ausmaß zur Speicherung urheberrechtlich relevanter Inhalte genutzt wird. „Die sinkenden Preise haben in den letzten Jahren dazu geführt, mehr und mehr auf Festplatten zu kopieren und weniger auf CD und DVD“, heißt es auf der Website der Verwertungsgesellschaft. Die Ausstattung privater Haushalte mit PCs, Notebooks und externen Festplatten habe sich in den vergangenen sieben Jahren etwa verdreifacht. Private Nutzer hätten im Durchschnitt rund 2.500 Musiktitel auf internen und über 5.500 Titel auf externen Festplatten gespeichert.
Wirtschaftskammer und die Computerhändler wollen davon nichts wissen. „Eine überwiegende Nutzung von Festplatten zur Speicherung von Privatkopien zu unterstellen, halten wir für sehr weit hergeholt“, sagte Nikolaus Ruby, Einkaufsleiter beim Computerhändler DiTech: „Vor allem, wenn man den Umstand bedenkt, dass immer mehr Musik- und Videodatenträger kopiergeschützt sind und damit gar nicht mehr die Möglichkeit der Erstellung einer Privatkopie besteht.“
Handel befürchtet Umsatzeinbußen
Die neue Urheberrechtsabgabe bedeute für den Computerhändler Umsatzeinbußen bei externen Festplatten im zweistelligen Prozentbereich, so Ruby. „Denn Kunden werden versuchen, der Preiserhöhung auszuweichen. Zum Beispiel indem sie in Deutschland einkaufen.“
Der Computerhändler mit 270 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von 73,8 Millionen Euro hat zwar noch vor dem 1. Oktober die Lager aufgestockt, um seinen Kunden so lange wie möglich Festplatten zum bisherigen Preis anbieten zu können. Mit Margen im einstelligen Prozentbereich sei es aber unmöglich, die bisherigen Preise zu halten, da Vorlieferanten bereits damit beginnen würden, die Einkaufspreise des Händlers anzuheben, so Ruby: „Einige Hersteller geben den Aufschlag an uns weiter, andere nicht.“
Ruby sieht durch die neue Urheberrechtsabgabe, die den Festplattenmarkt nach Schätzungen der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) mit rund 30 Millionen Euro belastet, Wettbewerbsnachteile für den Standort Österreich: „Das ist ein handfester Wettbewerbsvorteil für jene EU-Staaten, in denen keine oder eine maßvollere Festplattensteuer eingehoben wird.“
„Chimäre“
Austro-Mechana-Direktorin Ursula Sedlaczek bezeichnet die vom Handel und der Wirtschaftskammer kolportierten Umsatzeinbußen als Chimäre. Auch Wettbewerbsnachteile gegenüber anderen EU-Ländern stellte sie in Abrede. In Deutschland werde auch eine Urheberrechtsabgabe auf PCs verlangt, so Sedlacek. Preisunterschiede zwischen Österreich und Deutschland seien daher auf andere Faktoren zurückzuführen.
„Die Festplattenabgabe wird die österreichischen Kunden zum Einkauf ins Internet treiben“, meint hingegen auch Thomas Szeitz, der beim kleinen Wiener Computerhändler plug.at für den Einkauf zuständig ist: „Die werden eben ihre Mehrwertsteuer woanders zahlen.“ Szeitz beklagt auch Unklarheiten bei der neuen Abgabe: „Es ist nicht immer klar, welche Festplatten davon betroffen sind.“ So wisse er etwa nicht, ob die Abgabe auch für Network-Attached-Storage-Geräten (NAS) gilt, die Speicherkapazität in Netzen bereitstellen sollen.
„50 Prozent Umsatzeinbußen“
Die Auswirkungen der Abgabe seien für den kleinen Händler mit drei Angestellten schwer abschätzbar, meint Szeitz. Wenn die Hersteller die Abgabe bei Notebooks und Komplettsystemen „schlucken“, werde es nicht ganz so schlimm. Werde die Abgabe jedoch auch bei Komplett-PCs schlagend, rechnet Szeitz im schlimmsten Fall mit Umsatzeinbußen jenseits der 50 Prozent.
Gewerbliche Kunden können die Abgabe zwar von der Austro Mechana zurückfordern, wenn sie glaubhaft machen können, dass „Trägermaterial für eine Vervielfältigung auf Grund der Einwilligung des Berechtigten benutzt“ wird, wie es im Urheberrechtsgesetz heißt. In der Praxis sei das jedoch für kleinere Abnehmer ein „extremer Aufwand“, kritisiert Szeitz: „Der Friseurin ums Eck, die einen neuen Computer kauft, macht das nicht.“
Patrick Dax und Nadja Igler, ORF.at
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