Themenüberblick

Kosten explodieren

Das umstrittene Bahnprojekt Stuttgart 21 ist ein Megavorhaben der baden-württembergischen Landeshauptstadt. Mitten im Zentrum soll der bisherige Kopfbahnhof in eine unterirdische Durchgangsstation umgebaut werden. Gegner halten den Plan für unnötig und überteuert. Sie versuchen mit allen friedlichen Mitteln - Schweigemärschen, Sitzblockaden, Gebeten - das Milliardenprojekt zu stoppen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Mit dem seit mehr als 15 Jahren in Planung befindlichen Projekt soll die Stadt durch einen Schienenring unter der Erde an das regionale und überregionale Schienennetz angeschlossen werden. Der Baubeginn war ursprünglich für 2005 geplant. Tatsächlich ging es erst im Februar dieses Jahres los. Das Gesamtprojekt soll bis zum Jahr 2019 vollendet sein.

Modellansicht des Projekts Stuttgart 21, der Umgestaltung des Hauptbahnhofs

APA/DPA/Stadt Stuttgart

Computergrafik des Stuttgarter Hauptbahnhofs nach der Tieferlegung

Für Empörung unter den Projektgegnern sorgt die Kostenexplosion. Ursprünglich waren für Stuttgart 21 knapp 2,6 Milliarden Euro eingeplant, mittlerweile geht man von 4,1 Milliarden Euro aus. Der Großteil der Kosten wird von Bahn, Bund und Land getragen.

Stimmung gegen „Milliardengrab“

Immer wieder mussten die Verantwortlichen bei Bahn und Land Kostensteigerungen einräumen. Bahnchef Rüdiger Grube legte als Limit einen Maximalbetrag von 4,5 Milliarden Euro fest. Zusammen mit der um 40 Prozent auf 2,9 Milliarden Euro verteuerten Neubautrasse nach Ulm sind Kosten von sieben Milliarden Euro geplant.

Ein Gutachten im Auftrag des deutschen Umweltbundesamtes nannte allerdings einen Wert von bis zu elf Milliarden Euro und heizte damit die Stimmung gegen das „Milliardengrab“ weiter auf. Insbesondere die insgesamt 63 Tunnelkilometer bergen nach Überzeugung der Kritiker weitere Kostenrisiken.

Politik schaut nur zu

Die Kostenexplosion ist eine offene Flanke für die Projektträger. Zwar gaben alle demokratischen Gremien - Stuttgarter Gemeinderat, Landtag und Bundestag - dem Vorhaben grünes Licht. Doch nach den neuen deutlich nach oben korrigierten Berechnungen sei das Projekt nicht mehr demokratisch legitimiert, argumentieren die Gegner.

Die Gegner stellen Stuttgart 21 mit seinen acht Gleisen die Alternative Kopfbahnhof 21 entgegen - ein für weniger als die Hälfte der Kosten modernisierter Kopfbahnhof mit 16 Gleisen. Er soll durch das Neckartal und einen neun Kilometer langen Tunnel auf die Filder-Hochebene an die geplante Schnellbahnstrecke angebunden werden.

Modell des Projekts Stuttgart 21, der Umgestaltung des Hauptbahnhofs

AP/Thomas Kienzle

Ein Modell zeigt einen Querschnitt durch die unterirdisch verlaufenden Gleise.

Die Verantwortlichen halten der Protestwelle derzeit so gut wie nichts entgegen. Stuttgarts Oberbürgermeister Wolfgang Schuster (CDU) zieht wegen seines fehlenden Engagements nicht nur den Unmut der Gegner, sondern mittlerweile auch den der Befürworter auf sich. Die Stadt Stuttgart konnte für 450 Millionen Euro von der Bahn attraktive Flächen im Zentrum kaufen, die durch die Tieferlegung von Gleisen frei werden. Doch die städtebaulichen Chancen, die sich daraus ergeben, werden von den Projektträgern derzeit nicht thematisiert.

Denkmal- und Umweltschutz

Zwei weitere Aspekte lassen die Emotionen hochgehen: Zum einen sollen im Schlossgarten an der Südseite des Bahnhofs fast 300 uralte Bäume fallen. Zum andern sollen die beiden Seitenflügel des denkmalgeschützten Bauwerks von Paul Bonatz (1877-1956) entfernt werden. Deshalb finden seit vergangenem Herbst regelmäßig Montagsdemonstrationen vor dem Nordflügel statt, wo die Bahn mit dem Teilabriss Fakten schaffen will.

Stuttgart 21 ist auch ein Politikum in einer Stadt und einem Bundesland, in denen die CDU immer die bestimmende Kraft war. Bei der Kommunalwahl im vergangenen Jahr wurden die Grünen, die Stuttgart 21 jahrelang massiv bekämpften, stärkste Fraktion im Rathaus. Nach neuen Umfragen büßte die schwarz-gelbe Regierungskoalition im Südwesten ihre absolute Mehrheit ein, die Grünen legten massiv zu. Bei der CDU geht die Angst um, dass sie bei der Landtagswahl im März 2011 für Stuttgart 21 abgestraft wird.

Links: