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Befreiungstheologe in Brasilien

Der austrobrasilianische Bischof Erwin Kräutler erhält den Alternativen Nobelpreis 2010. Der von der Theologie der Befreiung geprägte Vorarlberger wird damit für seinen Einsatz für die marginalisierten Indigenen, Kleinbauern und Landarbeiter Brasiliens geehrt. Seit 1981 ist er Bischof der Prälatur Xingu, der mit 350.000 qm und 400.000 Einwohnern flächenmäßig größten Diözese Brasiliens.

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Mit seinem Einsatz für die Armen und Rechtlosen sowie gegen die Umweltzerstörung riskierte er Leib und Leben. 1987 entging er einem Mordanschlag.

Kräutler wurde am 12. Juli 1939 in Koblach in Vorarlberg geboren. Nach der Matura trat er in die Kongregation der Missionare vom Kostbaren Blut ein und studierte in Salzburg Theologe und Philosophie. Am 3. Juli 1965 wurde er zum Priester geweiht. Noch im selben Jahr ging er als Missionar ins brasilianische Amazonasgebiet.

Am 7. November 1980 wurde er von Papst Johannes Paul II. zum Bischof-Koadjutor für die Prälatur Xingu ernannt, deren Bischof damals sein Onkel Erich Kräutler war. Am 25. Jänner 1981 wurde er zum Bischof geweiht, am 2. September 1981 trat er die Nachfolge seines Onkels an.

Morddrohungen, Anschlag, Misshandlungen

Die Sorge des Bischofs gilt sowohl den Ureinwohnern als auch den Hunderttausenden Kleinbauern und Landarbeitern seiner Diözese, deren Rechte er gegen die großen agroindustriellen Konzerne verteidigt. Unbeirrt setzte er sich für die Menschen und die Umwelt ein, auch wenn er Morddrohungen bekam und unter Polizeischutz gestellt werden musste.

Am 16. Oktober 1987 wurde der Bischof bei einem Anschlag schwer verletzt: Ein Kleinlastwagen rammte frontal sein Auto. 1983 wurde Kräutler international bekannt als „der verprügelte Bischof“, als er wegen der Teilnahme an einer Solidaritätsaktion von der Militärpolizei festgenommen und verprügelt wurde.

Permanenter Polizeischutz

Gegner von Staudammprojekt

Kräutler gilt seit 30 Jahren als Gegner des Mega-Staudammprojekts von Belo Monte am Xingu-Fluss. Der Damm wäre der drittgrößte der Welt und würde 1.000 Quadratkilometer Wald zerstören sowie ein Drittel des Hauptortes Altamira überfluten. 30.000 Menschen müssten umgesiedelt werden.

Seit 2006 befindet sich Kräutler unter permanentem Polizeischutz. Wegen seines Einsatzes gegen den Bau des Wasserkraftwerks Belo Monte erhielt er mehrfach Morddrohungen. Er unternahm rechtliche Schritte gegen eine kriminelle Gruppe, die in den sexuellen Missbrauch von Kindern verwickelt sein soll. Schließlich forderte er die kompromisslose Aufklärung des Mordes an der Ordensfrau und Umweltaktivistin Dorothy Stang im Jahr 2005, die seit 1982 eng mit ihm zusammengearbeitet hatte.

Der Amazonas-Bischof erlebte immer wieder Erfolge. Von 1983 bis 1991 war Kräutler Präsident des Indianermissionsrats der Brasilianischen Bischofskonferenz (CIMI), seit 2006 hat er das Amt wieder inne. Bei der verfassunggebenden Versammlung Brasiliens 1987 setzte er sich dafür ein, dass die Rechte der Indigenen in der Verfassung verankert werden. In seinen 840 Gemeinden ist der meist leger gekleidete Bischof überaus beliebt. Ob auf dem Flughafen oder im Regenwald - er wird erkannt und mit einem „Oi, bispo“ (Hallo, Bischof) begrüßt.

„Ohnmacht angesichts so vieler Ungerechtigkeit“

In seinem Buch „Mein Leben ist wie der Amazonas“ schreibt Kräutler: „Ich spüre die Ohnmacht angesichts so vieler Ungerechtigkeit und bin empört über all die Ausbeutung und Plünderung der Menschen und ihrer Mit-Welt.“ Aber trotz aller Anfechtungen betont Kräutler, dass er als junger Priester freiwillig nach Brasilien gegangen sei: „Ich werde das durchziehen, bis ich 75 bin“ - bis er das kanonische Alter für die Abdankung von Bischöfen erreicht hat.

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