Moskau mit harter Hand regiert
Fast zwei Jahrzehnte hat der Moskauer Bürgermeister Juri Luschkow die russische Hauptstadt mit harter Hand regiert. Doch die umstrittenen Dauerherrschaft ist nun zu Ende. Mit einem Dekret besiegelte Russlands Präsident Dimitri Medwedew das Ende einer Ärä. Dem vorangegangen waren heftige Streitigkeiten und Machtkämpfte.
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Auch das staatliche Fernsehen wurde dabei eingesetzt. Erstmals seit Jahren schoss sich das russische Staatsfernsehen NTW auf die unter Luschkow verbreitete Korruption und Günstlingswirtschaft ein. Moskauern gilt das alles zwar seit langem als offenes Geheimnis. Dass aber ein Staatssender einen Politiker dieses Gewichts kritisiert, galt als Sensation.
Bremser bei Modernisierung
Bei der Entlassung geht es laut Kommentatoren weniger um die möglichen kriminellen Machenschaften Luschkows. Vielmehr fühlt sich Medwedew nach Meinung von Beobachtern zunehmend behindert durch den mächtigen Mann bei seinem Modernisierungskurs. Eine Entlassung Luschkows wäre daher ein politisches Erdbeben und ein erster echter Machtbeweis für Medwedew, schrieben Kommentatoren in Moskau im Vorfeld der Entlassung.
Auch Gattin im Visier
In den Sendungen „Maximum“ und „Der Fall Schiebermütze“ - in Anspielung auf die Kopfbedeckung des Bürgermeisters - beleuchteten die NTW-Reporter auch die Geschäfte von Luschkows Ehefrau. Jelena Baturina gilt mit ihrem Milliardenvermögen als die reichste Frau Russlands, die gerne mal auf ihrem Anwesen in London ausspannt. Mit ihrer Baufirma Inteko soll sie immer wieder von den Aufträgen aus dem Bürgermeisteramt profitiert haben.
Luschkow wollte nicht gehen
Der noch von Präsident Boris Jelzin 1992 eingesetzte Luschkow gilt - durch das Firmenimperium seiner Frau - als einer der reichsten Männer der größten Landes der Erde. Erst kürzlich hatte er Kritik aus dem Kreml zurückgewiesen, er treibe durch Machtspiele und Intrigen einen Keil zwischen das Machttandem Medwedew/Putin - und das mitten in der heißen Diskussion um deren mögliche Kandidatur für das Präsidentenamt 2012.
Putin-Partei verteidigte Luschkow
Auch Luschkows Machtbasis galt als stark. Die von Putin geführte Partei Geeintes Russland warf den Fernsehmachern vor, zu einseitig über Luschkow zu berichten. Der Politologe Alexej Puschkow sah sich an einen ersten „Informationskrieg“ gegen Luschkow erinnert, als dieser 1999 Präsident werden wollte - und scheiterte.
Opposition: „Lebensqualität zu Luxuspreisen“
Im vergangenen Oktober hatte Luschkow unter Vorwürfen massiver Wahlmanipulation der Putin-Partei noch einen haushohen Sieg bei der Stadtratswahl gesichert. Dabei kritisiert die Opposition seit langem, der Rathaus-Chef habe Moskau zu einer der teuersten Metropolen der Welt gemacht. Hier werde Lebensqualität zu Luxuspreisen verkauft, und dabei gebe es reichlich Kriminalität und Verschmutzung wie in der Dritten Welt, sagte der frühere Vizeregierungschef Boris Nemzow im vorigen Jahr.
Aufsehen mit Stalin-Aktion
Doch Luschkow stand nicht nur im Ruf, die Opposition zu unterdrücken, sondern auch höchstrichterliche Urteile oder Anweisungen des Kreml zu ignorieren. So bestand der Bürgermeister trotz internationaler Proteste lange darauf, den sowjetischen Diktator Josef Stalin zum 65. Jahrestag des Sieges über Hitler-Deutschland im vergangenen Mai in Moskau mit großflächigen Plakaten zu würdigen. Der Kreml verhinderte das letztlich.
Ulf Mauder, dpa
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