Anleitung zur Selbsthilfe statt kurzfristiger Hilfszahlungen
Die Idee zu Howtopedia kam Maud Chatelet vor rund fünf Jahren nach zahlreichen Reisen durch Länder wie Indien, Brasilien und Nordafrika. „Für mich war da immer eine Faszination dabei für einfache Technologien.“ In diesen Ländern habe sie gemerkt, dass „viele Sachen, die ich kenne – ganz einfache Technologien –, dort nicht vorhanden waren“.
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So gründete Chatelet gemeinsam mit vier Schweizern Howtopedia - eine Onlinebibliothek für praktisches Alltagswissen, mittlerweile arbeiten auch rund 40 Freiwillige mit. ORF.at sprach mit der Architektin über Entwicklungshilfe über das Internet und warum diese auch für Menschen in westlichen Ländern interessant ist.
Mit Chili Elefanten vertreiben
Die Website enthält mittlerweile Beiträge in 13 Sprachen - rund 1.000 Besucher informieren sich täglich über die Projekte. Sie erfahren, wie ein Bewässerungssystem errichtet werden kann, eine Komposttoilette gebaut wird, wie Wasser mit Hilfe eines Topfes und Sand oder einer einfachen PET-Flasche keimfrei gemacht werden kann und wie man mit Chili Elefanten vertreibt.
So entsteht der Wüstenkühlschrank
Zwei verschieden große Tontöpfe werden zur Herstellung des Kühlschranks gebraucht. Der kleinere wird in den großen gestellt, die Zwischenräume mit nassem Sand ausgefüllt und alles mit einem feuchten Tuch abgedeckt. Das Wasser aus dem Sand verdunstet durch den größeren Topf nach außen. Die für die Verdunstung notwendige Energie wird aus dem inneren Topf gezogen, wodurch es dort deutlich kühler wird. Tomaten können darin etwa für 20 Tage aufbewahrt werden, anstelle von zwei Tagen - für Marktfrauen ein Riesenvorteil.
Hinter Howtopedia steckt der Glaube an eine autonome, alternative Entwicklung durch die Verbreitung von simplen Technologien und praktischem Wissen. Das Ziel ist, die Menschen selbst dazu zu befähigen, für die Verbesserung ihrer Lebensumstände zu sorgen. „Howtopedia verwendet eine Bottom-up-Strategie. Es sammelt und verbreitet Selbsthilfemittel und Know-how, um die lokale Selbstorganisation weltweit zu fördern“, lautet die Mission des Projekts.
„Bibliothek ist teurer als PC mit Internet“
Die Website dient als Schnittstelle, auf der Hilfsorganisationen und Privatpersonen Ideen verbreiten können, auf die andere Personen oder ebenfalls Organisationen zugreifen können. „Ich habe gemerkt, wie stark das Mittel Internet sein kann – eine Bibliothek in einem Dorf ist viel teurer als ein PC mit Internet“, so Chatelet. Dutzende Freiwillige arbeiten an dem Projekt mit. Sie leisten etwa auch Beiträge, indem sie vorhandene Artikel in andere Sprachen übersetzen.
Die Plattform ist so ausgerichtet, dass nur wirklich durchdachte und nützliche Ideen präsentiert werden. Denn nicht jeder darf Bauanleitungen und Projekte publizieren. Howtopedia prüft die Personen, die sich registrieren. Das Ziel ist eine „verbindliche Zusammenarbeit“. „Es braucht die richtigen Leute, die die richtige Art von Wissen haben“, sagte Chatelet. Deshalb stammten die Projekte, die vorgestellt werden, hauptsächlich von Hilfsorganisationen und NGOs.
Herstellung von Bananenbier
Die reifen Bananen werden gepresst. Der Bananensaft wird im Verhältnis 1:3 mit Wasser verdünnt. Dazu wird geröstetes, und gemahlenes Getreide hinzugefügt. Diese Mischung wird für 18 bis 24 Stunden in einem mit einer Plastikfolie abgedeckten Behälter aufbewahrt. Nach der Gärung wird das Bier durch ein Baumwolltuch gefiltert.
Großes Interesse aus den USA
Die Plattform stößt nicht nur bei Hilfsorganisationen in Entwicklungsländern auf großes Interesse – große Nachfrage kommt auch aus westlichen, entwickelten Ländern: Etwa ein Drittel der Besucher der Website sind laut Chatelet englischsprachige Menschen aus westlichen Ländern. Allen voran die USA, gefolgt von England und auch Australien. „In den USA etwa gibt es viele Menschen, die autonom leben, ohne Strom- und Wasseranschluss.“
Zu den beliebtesten Anleitungen - vor allem auch von den US-Usern - zählen laut Chatelet jene zur Herstellung von Marshmallows und Bananenbier. Besonders gefragt sind laut Chatelet aber auch kleine Biogasanlagen, die auf Küchenabfall basieren.
Es gehe aber auch schlicht darum, den Menschen zu zeigen, „wie etwas geht“. „Man hat gar keine Ahnung mehr, wie man überleben könnte, wenn etwas passiert“, so Chatelet. In Katastrophensituationen, wie etwa nach dem Hurrikan „Katrina“ in Louisiana, seien solche Informationen nützlich. „Man kann zum Beispiel ganz einfach mit einem Topf voll Sand Wasser trinkfähig machen“, erzählte Chatelet begeistert. „Das sind Sachen, die man eigentlich überall verbreiten sollte.“
Finanzierung eines „echten“ Brunnens „sexyer“?
Die euphorischen Erwartungen von Chatelet sind jedoch getrübt von finanziellen Sorgen: „Es funktioniert relativ gut, aber die Finanzierung ist schwierig.“ Die Gelder für das Projekt stammen ausschließlich aus Spenden. Die Wirtschafts- und Finanzkrise habe die Spendenlukrierung jedoch erschwert. „Natürlich ist es sexyer, einen echten Brunnen zu finanzieren, als die Dokumentation davon. Aber das, was wir machen, zielt auf eine autonome Handlung ab“, erklärte Chatelet.
Werbung auf der Seite zu platzieren, zahle sich für das Projekt noch nicht aus, ist Chatelet überzeugt – die Besucherzahlen sind dafür noch zu gering. Noch führen deshalb zahlreiche Links ins Leere, in drei bis vier Jahren, hofft Chatelet, sollte das Projekt jedoch zum Selbstläufer geworden sein.
Petra Fleck, ORF.at
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