Vom Starfotografen zum Kultregisseur
Er hatte alle Musikgrößen vor der Linse, fotografierte Nelson Mandela und ist eng befreundet mit Herbert Grönemeyer. Anton Corbijn, 1955 im niederländischen Strijen geboren, machte sich in den 1970er Jahren einen Namen als Musikfotograf, ehe er ab den 1980ern Musikvideos gestaltete. Auf seinen ersten Kinofilm, „Control“ (2007), folgte nun „The American“ mit George Clooney.
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Im APA-Gespräch zeigt er sich erschöpft von all dem Rummel: „Sie wollen nicht George Clooney sein, glauben Sie mir.“
Herr Corbijn, Sie haben im Laufe ihrer Karriere als Fotograf, Designer und Regisseur von Musikvideos gearbeitet. Helfen all diese Erfahrungen, ein guter Filmemacher zu werden?
Anton Corbijn: Ich bin mir nicht sicher, ob ich schon ein guter Filmemacher bin, aber ich arbeite daran. Ich habe versucht, meine eigene Sprache zu finden. Natürlich hat es mir bei allem geholfen - wenn ich einfach nur mit irgendjemandem ein Drehbuch geschrieben und es an George Clooney gesendet hätte, wäre es vermutlich nicht gelesen worden. Die Tatsache, dass ich zuvor schon viele Dinge gemacht habe und Menschen meine Arbeit mochten, hilft mir heute. Auch was die Erfahrung betrifft: Ich arbeite jetzt mit vielen Leuten, die ich kenne, also habe ich keine Angst. Ich habe eine Vision und versuche, etwas zu kreieren und mit der Hilfe vieler Menschen einen Film zu machen.
Als Fotograf sind Sie es gewohnt, „Herrscher“ über die Kamera zu sein, alles selbst im Griff zu haben. Wie funktioniert das am Filmset, an der Seite eines Kameramanns, in dem Fall Martin Ruhe?
Anton Corbijn: Martin ist ein großartiger Kameramann, das ist Fakt. Aber auch ich habe meine eigenen Ideen, wie der Film aussehen soll. Es ist mein Film, und jede Einstellung wird diskutiert. Wer immer dann die beste Idee hat - die wird umgesetzt. Ich könnte nie einen Film machen, ohne darin involviert zu sein, wie er schließlich aussieht.
„The American“ kommt nicht als typischer Thriller daher, sondern ist sehr ruhig und langsam gestaltet. Was sind die Vorteile dieser Erzählart?
Anton Corbijn: Ich denke, das bringt die Einsamkeit mehr zur Geltung. Es wird alles bis auf die Basis zerlegt. Da ist immer diese Angst, dass jemand von irgendwo kommt, dass Gefahr lauert. Im Buch spricht der Amerikaner immer von „Schattenmenschen“ - er weiß nicht, woher sie kommen, und sieht sie nicht. Aber er ist davon überzeugt, dass Leute hinter ihm her sind.
„Control“, in dem Sie Joy-Division-Sänger Ian Curtis porträtieren, war durch und durch eine Independent-Produktion, während „The American“ den Anschein eines Hollywoodfilms hat. Wie unterschiedlich war die Herangehensweise an den jeweiligen Film?
Anton Corbijn: Nach „Control“ wollte ich alles ändern, das hat auch beinhaltet, schließlich keinen weiteren Independent-Film zu drehen - das kann man auch nicht jedes Mal. Ich habe all mein Geld in „Control“ gesteckt, mein Haus aufgegeben und das Geld nicht zurückverdient. Das kann man sich nur gewisse Male im Leben leisten.
Das passiert Ihnen dieses Mal vermutlich nicht, „The American“ katapultierte sich an seinem Startwochenende an die Spitze der US-Kinocharts. Haben Sie mit diesem Erfolg gerechnet?
Anton Corbijn: Nein, überhaupt nicht, und ich habe den Film auch nicht für diesen Erfolg gedreht. Ich bin glücklich, dass es für diesen sehr dunklen, europäischen Film ein Publikum gibt. George Clooney scheint dem Film einen breiteren Anklang zu verleihen. Aber George hat schon mehr Arthouse-Filme gemacht, mit Steven Soderbergh, die überhaupt nicht erfolgreich sind. Es wäre mir also nie in den Sinn gekommen, dass dieser Film an die Spitze der Charts kommen könnte. Es ist unglaublich, dass es für diese Art von Film ein Publikum gibt. Vielleicht ist es aber auch so, dass die Menschen hungrig nach etwas anderem als in Blockbustern sind.
Das Gespräch führte Angelika Prawda, APA
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