Der Regisseur und seine Familie
Mit keinem anderen Namen ist die filmische Begleitung des Holocaust so eng verbunden wie mit Veit Harlan, dem Regisseur in den Diensten von Propagandaminister Joseph Goebbels. Sein Film „Jud Süß“ ist und bleibt der schändlichste antisemitische Spielfilm der NS-Zeit. Nun kommt mit „Harlan - Im Schatten von Jud Süß“ eine Dokumentation über das Leben des Regisseurs und seiner Familie ins Kino.
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Als ebenso besessener wie begabter Künstler war Veit Harlan die schillerndste Figur des Nazi-Films neben Leni Riefenstahl. Ein Spezialist für nationalen Kitsch und Todesverklärung, ein Melodramatiker, ein ebenso verblendeter wie talentierter Vorzeigekünstler. Millionen Deutsche und andere Europäer sahen seine Filme, die Kassenschlager in ganz Europa waren und die Mentalität unzähliger Zuschauer prägten.
Mit dem Monumentalfilm „Kolberg“ schuf er 1944/45 das große Durchhaltepos eines untergehenden Regimes. Dennoch sind selbst heute noch viele von der Ästhetik und düster-verführerischen Kraft der Harlan-Filme fasziniert. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Veit Harlan für seinen Film „Jud Süß“ zweimal wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt. Beide Male wurde er freigesprochen.
Auswirkungen auf Kinder und Enkel
„Harlan - Im Schatten von Jud Süß“ erzählt die Geschichte des umstrittenen Regisseurs, und wie sich seine Kinder und Enkel bis heute mit der Person und den Filmen auseinandersetzen. Sein ältester Sohn Thomas und seine Töchter Maria und Susanne erlebten zwei Prozesse gegen den Vater, aber auch, wie er anscheinend ungebrochen weiter Filme in der jungen Bundesrepublik drehte. Ihre Reaktionen darauf fielen – zerrissen zwischen Vaterliebe und Abrechnung – teilweise extrem aus.
Veit Harlan polarisierte die Gesellschaft der 50er Jahre. War er Nazi? War er Antisemit? Ein „Mordinstrument“ nannte Thomas Harlan den Film „Jud Süß“ und brach mit dem Vater – zu einer Versöhnung kam es erst auf dem Totenbett. Seine Schwester Maria wollte nach dem Krieg Schauspielerin werden und musste den Namen Harlan ablegen, weil sie sonst keine Engagements bekommen hätte.
Verwandtschaft mit Stanley Kubrick
Gemeinsam litten sie unter dem schändlichen Erbe – aber auch tiefe Risse in der Familie werden sichtbar, wie damit umzugehen sei und ob man den Vater öffentlich kritisieren dürfe. Bis hin zu Veit Harlans Nichte Christiane, Witwe des legendären Regisseurs Stanley Kubrick, reicht diese verzweigte Familie. Christianes Bruder Jan Harlan, Produktionsleiter bei Kubrick, erinnert sich, dass Kubrick – möglicherweise inspiriert durch die familiäre Verbindung – einen Film über den Alltag der Nazi-Filmproduktion geplant hatte.
Neben den Erfahrungen der zweiten richtet sich der Blick des Films auch auf die dritte Harlan-Generation: Mit Neugier, Scham oder auch bewusster Distanz reagieren sie auf die Konfrontation mit der Familiengeschichte. Dieser Schatten von „Jud Süß“ ist, freilich abgeschwächt, auch noch in der dritten Generation der Harlans spürbar. Thomas Harlans Tochter, die in Frankreich zur Schule ging, wurde wegen der „Nazi- Großeltern“ beschimpft.
Kinohinweis
Die Dokumentation „Harlan - Im Schatten von Jud Süß“ ist ab 24. September in österreichischen Kinos zu sehen.
Jessica Jacoby – der eine Großvater war Veit Harlan, der andere ein im Holocaust umgekommener jüdischer Kaufmann – verkörpert wie keine andere die Spaltung deutscher Familien in Opfer und Täter. In dem mit zahlreichen Filmausschnitten und erstmals gezeigtem Privatmaterial aus dem Familienarchiv montierten Dokumentarfilm reflektieren Veit Harlans Söhne, Töchter und Enkel das Schicksal der Familie in der Nachkriegszeit und den Einfluss der Vergangenheit auf das eigene Leben bis heute.
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